Klimaproteste:Schule des Lebens

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Ist sie unpolitisch und egoistisch, diese Jugend? Von wegen. Endlich verlassen Mädchen und Jungen den Unterricht, um für ihre Zukunft zu kämpfen. Man sollte sie darin bestärken.

Kommentar von Susanne Klein

Endlich! Endlich gehen wieder Abertausende auf die Straße, um dafür zu kämpfen, dass die Menschheit den Erdball nicht in die Katastrophe steuert. Mindestens 25 000 Menschen waren es am Freitag voriger Woche allein in Deutschland. Und es sind nicht die etablierten Grünen, nicht die ergrauten Umweltaktivisten der ersten Stunde, bei denen ein Teil der Gesellschaft abwinkt: alles schon gehört, gesehen. Nein, es sind Kinder und Jugendliche vieler Länder, zahlreicher Städte.

Wir sind die allerletzte Generation, die euch Beine machen kann, eure Klimasünden halbwegs in den Griff zu bekommen, lautet ihre Botschaft. Denn bislang seid ihr Erwachsenen zu egoistisch, ignorant oder hasenherzig. Wäre es anders, würdet ihr nicht tatenlos zusehen, wie Felder verdorren, Schlammlawinen Häuser begraben und Menschen in Fluten ertrinken, während sie andernorts vor Dürren fliehen. Wäre es anders, würde die Regierung die Kohlekraftwerke so schnell abstellen, dass Kohleverstromung Geschichte ist, wenn wir erwachsen sind.

Sicher, es gibt Argumente gegen ein rasches Abschalten. Jobs in Kohleregionen gehen verloren, Strom soll bezahlbar bleiben. Themen, um welche die Kohlekommission an diesem Freitag im Bundeswirtschaftsministerium rang - vor dessen Türen Schüler aus ganz Deutschland zu Tausenden demonstrierten. Es ist nicht ihre Aufgabe, kluge Lösungen für die Probleme zu präsentieren. Aber es liegt an ihnen, Druck zu machen. Wer, wenn nicht sie, um deren Zukunft es geht, hätte das Recht, dies zu tun.

Wie klingt es in den Ohren der jungen Demonstranten, wenn der Chef des Industrie- und Handelskammertages, der von der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nicht viel erleben wird, vor "exorbitanten Kosten" von bis zu 170 Milliarden durch einen früheren Kohleausstieg warnt? Jakob Blasel, Mitorganisator des "Fridays for Future"-Protests, sagt: "Am Geld darf der Kampf gegen den Klimawandel nicht scheitern." Es ist richtig, im reichen Deutschland so einen Satz zu sagen.

Was ist nicht geschimpft worden auf diese Jugend - so unpolitisch, so ichbezogen. Auf den Mangel an Politikunterricht, an Demokratie- und Menschenrechtsbildung in der Schule wurde weit weniger geschimpft. In Nordrhein-Westfalen nehmen wirtschaftsbezogene Inhalte in der Schule zwei- bis dreimal so viel Raum ein wie politische, wie eine Studie im Dezember nachwies. Die Eltern können stolz sein, dass ihre Kinder trotzdem auf die Straße gehen. Und wie es aussieht, sind sie das auch: In einer gerade veröffentlichten repräsentativen Umfrage spricht sich jeder Zweite gegen einen negativen Vermerk im Zeugnis aus, wenn Schüler während der Unterrichtszeit für das Klima demonstrieren. Gut ein Fünftel der Befragten wünscht sich sogar einen positiven Zeugnisvermerk.

Diesen Schwung sollten die Schulen mitnehmen. Zwar müssen sich Schulleiter Gedanken machen, wenn die Bewegung mit dem Plural Ernst macht. Fridays for Future, jede Woche wieder: Wir streiken, bis ihr handelt! Aber es braucht Lösungen, die den Protest nicht ersticken. Zu sagen, streikt nach Schulende, ist armselig. Weil es zum Protest gehört, vom Schulgestühl aufzustehen und damit anzuecken. Also, ihr Lehrer, ihr Bildungsminister: Überlegt euch was!

© SZ vom 26.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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