Süddeutsche Zeitung

Klimapolitik:Unterste Schublade

Bundesministerien haben Dutzende Studien zu Klimaschutz und Energiewende bestellt. Viele jedoch schlummern im Verborgenen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wissen ist Macht - und Macht braucht Wissen. Erst recht in so komplizierten Feldern wie der Energiewende oder dem Klimaschutz. Wer weiß schon, wie die "Transformation der Stromversorgung bis 2050" genau gehen soll? Oder wie ein "Marktdesign mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien" aussehen würde. Für solch diffizile Fragen gibt es ja die Experten.

Weshalb sich die Bundesregierung sowohl zur Transformation als auch zum Marktdesign Rat von außen holte, ebenso wie etwa zu den "Zielen, Anreizen und Hemmnissen für den grenzüberschreitenden Ausbau der Stromnetze". Zeile um Zeile reihen sich solche Projekte in zwei Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen, seitenlang. Die Grünen-Abgeordneten Lisa Badum und Julia Verlinden haben die Listen eingefordert. Von Umwelt- und Wirtschaftsministerium wollten sie gerne wissen, wie viele Studien rund um Energie und Klima sie seit 2017 in Auftrag gegeben haben, und wie viele seither fertig wurden. An Expertise, so viel wird aus den Antworten klar, kann es in der Bundesregierung eigentlich nicht mehr fehlen.

Allein das Bundesumweltministerium vergab demnach 122 Aufträge für Gutachten rund um Energiewende und Klimapolitik, aus dem Wirtschaftsministerium kamen weitere 91 dazu. "Die aus Studien gewonnenen Erkenntnisse", wirbt Wirtschafts-Staatssekretär Ulrich Nußbaum, seien "hilfreich bei der Diskussion von Handlungs- und Entscheidungsalternativen." Die Ergebnisse würden "intensiv ausgewertet und damit auch bei den daraus folgenden Entscheidungen berücksichtigt". Ähnlich argumentiert Umwelt-Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter. Derlei Studien seien nötig, "um fundierte politische Entscheidungen vorzubereiten bzw. zu treffen." Und natürlich würden "grundsätzlich alle Ergebnisse" der Forschung auch veröffentlicht.

Irgendwann jedenfalls, denn selbst Gutachten, die schon 2017 abgeschlossen wurden, sind in einigen Fällen bis heute nicht veröffentlicht. Auch die Studien zur "Transformation der Stromversorgung" oder zum künftigen "Marktdesign" schlummern noch in der Schublade, ebenso jene zum grenzübergreifenden Stromnetz-Ausbau. Eine "Studie zur Gasversorgung" will das Wirtschaftsministerium aus Gründen der Vertraulichkeit nicht öffentlich machen, andere sollen nur "gegebenenfalls" veröffentlicht werden.

Das Umweltministerium verweist auf die "Prüfung", die bei verschiedenen Studien noch im Gang sei und eine Veröffentlichung vereitele. Allerdings läuft bei einigen der Gutachten diese Prüfung schon seit über einem Jahr. Von 91 bereits fertig gestellten Gutachten seien 45 nicht veröffentlicht, beklagen die Grünen - "ohne schlüssige Gründe".

Was wiederum aus der Expertise wurde, schmeckt ihnen auch nicht. Dass steuerfinanzierte Gutachten nicht öffentlich würden, sei schon ein "Unding", beschwert sich Energiepolitikerin Julia Verlinden. Das Problem seien allerdings nicht die Kosten - allein aus dem Wirtschaftsministerium flossen mehr als 15 Millionen Euro in die bereits fertigen Studien. "Das Problem ist die Arbeitsverweigerung dieser Bundesregierung in der Klima- und Energiepolitik." Schließlich müsse die doch nun wahrlich genug darüber wissen.

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Quelle:
SZ vom 01.04.2019
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