Klimapolitik:Trumps Fragezeichen

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Der US-Präsident kann sich nicht entscheiden, ob er aus dem Vertrag von Paris aussteigen soll. Das fördert neue Allianzen - etwa zwischen Berlin und Peking.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Xie Zhenhua ist der Prototyp eines gewieften Verhandlers. In seinem großen, runden Gesicht kann Chinas Chefdiplomat für Klimafragen jede Gefühlsregung gut verstecken, das macht ihn schwer berechenbar. An diesem Montagmorgen aber huscht hin und wieder ein Lächeln über sein Gesicht. Er steht ja schließlich auf der Seite der Guten, der Sauberen.

Diplomaten und Minister aus 35 Staaten und der EU sind nach Berlin gekommen, zum achten Mal treffen sie sich zum "Petersberger Klimadialog", zum ersten Mal in Zeiten von Donald Trump. Wer wissen will, wie sich die Gewichte in der Klimapolitik verschoben haben, der kann es hier erfahren. Auch in der Miene Xies. Noch ehe die Veranstaltung offiziell begonnen hat, lädt er zur Pressekonferenz, gemeinsam mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). China stehe zu "100 Prozent" hinter dem Klimaabkommen von Paris, sagt Xie. Schließlich sei man auf dem Weg in die "ökologische Zivilisation", sei der Klimaschutz ein "globaler Trend" geworden. "Kein Land und kein Volk kann diese Entwicklung aufhalten", sagt er.

Kein Land, kein Volk - damit kann Xie nur die USA meinen. Seit Wochen hält Donald Trump die Welt im Ungewissen über seine Klimapläne. Anfang des Monats sollte eine ominöse Runde im Weißen Haus über den weiteren Verbleib im Klimaabkommen entscheiden; das Treffen wurde abgesagt. Nun soll die Entscheidung im Umfeld des G-7-Gipfels fallen, der Ende dieser Woche die Chefs sieben wichtiger Industriestaaten nach Sizilien führt. Zum Petersberger Dialog, bei dem in Zeiten Obamas auch gern der Chefunterhändler erschien, ist nur eine Diplomatin aus dem Außenministerium angereist. Sonst kümmert die sich in Washington um den Schutz der Meere. Hier aber hat sie einen undankbaren Job, denn viel sagen kann sie nicht - obwohl sich so viele Gespräche um ihre Regierung drehen. Nur spricht das böse T-Wort eben keiner offen aus.

Solaranlagen in Wuhan: China hat sich zum Weltmarktführer bei den erneuerbaren Energien entwickelt. (Foto: Getty Images)

Längst aber lässt Trumps Entscheidungsvakuum neue Allianzen entstehen - etwa die zwischen Berlin und Peking. "Unsere Kooperation ist geprägt von enger Zusammenarbeit und solidem Vertrauen", schwärmt Hendricks, an Xie gewandt. "Sie haben erkannt, dass das Paris-Abkommen in Ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse ist." Auch Umweltschützer sind von der neuen Partnerschaft ganz angetan. "Diese beiden Länder können der Welt den Weg zeigen", sagt Li Shuo, Klimaexperte von Greenpeace in Südostasien. "Mit dem Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen übernimmt eine neue Koalition der Willigen die Führerschaft." Noch größer ist die Runde, die diesen Dienstag zusammentreffen will - außer China gehören ihr die EU und Trumps Nachbarn aus Kanada an. "Eine völlig neue Entwicklung", sagt Unterhändler Xie. Gespräche dazu hatten auch vorige Woche in Bonn stattgefunden, als Klimadiplomaten aus aller Welt über die Umsetzung des Pariser Vertrags berieten.

"Wenn man den USA etwas entgegensetzen will, dann muss China dabei sein", sagt Christoph Bals, der die Verhandlungen für die Umweltgruppe Germanwatch verfolgt. "Je vielfältiger die Allianzen, desto besser." So ließen sich auch progressive US-Bundesstaaten einbinden, oder kleine Inselstaaten, die den "moralischen Skandal" einer US-Blockade symbolisierten. Spielt Trump nicht mit, wird er isoliert.

Germanwatch wiederum hat sich mittlerweile mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie zusammengetan, gemeinsam mit Klimaforschern verlangen sie einen Abbau fossiler Subventionen und einen globalen Preisaufschlag für den Ausstoß von Treibhausgasen. Der Petersberger Dialog müsse den "erforderlichen Rückenwind" schaffen, um dergleichen im Kreis der G20 zu vereinbaren, fordert die ungewöhnliche Allianz.

Die USA setzen wieder verstärkt auf fossile Energieträger wie Erdöl, hier in Garden City, Texas. (Foto: AFP)

Tatsächlich sollen die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer bei ihrem Treffen in Hamburg Anfang Juli auch einen entsprechenden Aktionsplan verabschieden. Er soll, sagt Hendricks, "dem Umbau der Energiewirtschaft in Richtung erneuerbare Energien zusätzlichen Schwung verleihen". Allerdings gebe es da im Verhandlungstext noch einige "eckige Klammern, die weggeräumt werden müssen". Und das ist noch freundlich gesagt: Tatsächlich stehen ganze Absätze unter dem Vorbehalt Washingtons. Erst will sich der Präsident entscheiden, was er nun vom Klimaabkommen hält.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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