Klimaschutz:Scholz bei den Hungerstreikenden

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Die Klimaaktivisten Henning Jeschke und Lea Bonasera beim Treffen mit Olaf Scholz. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Der vermutlich künftige Bundeskanzler löst ein Versprechen ein und trifft sich mit zwei jungen Klimaaktivisten. Doch wirklich näher sind sie einander nicht gekommen.

Von Marija Barišić, Berlin

Etwa sieben Wochen nach dem Ende ihres Hungerstreiks haben am Freitagabend zwei junge Klimaaktivisten den vermutlich künftigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu einem öffentlichen Gespräch getroffen. Scholz löste damit sein Versprechen ein, mit dem er die beiden Aktivisten kurz vor der Bundestagswahl zum Abbruch ihres Hungerstreiks überreden konnte. Diese hatten zwar ein Gespräch mit allen drei Kandidierenden gefordert, also mit Armin Laschet (CDU), Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz. Doch nur letzterer sagte zu.

Nun saßen sie also da, die ehemals Hungerstreikenden und der werdende Bundeskanzler, und redeten endlich mit- statt übereinander. Die Diskussion, die in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin stattfand und live gestreamt wurde, verlief so, wie man sich das vorstellt, wenn überzeugte, junge Klimaaktivisten auf ältere Politiker treffen: Henning Jeschke, 21, und Lea Bonasera, 24, forderten Scholz auf, sofort zu handeln ("Es geht um das Überleben von Menschen!"), der SPD-Politiker wiederum beschwichtigte wenig überzeugend, es finde ja gerade eine große Klimakonferenz statt, bei der verhandelt werde.

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Jeschke und Bonasera gehören der "Letzten Generation" an, einer Gruppe von Klimaaktivisten, die Ende August in der Nähe des Reichstagsgebäudes in den Hungerstreik traten, um für eine radikale Klimawende zu kämpfen. Vier Wochen lang hatten die beiden nichts gegessen, zuletzt auch nichts mehr getrunken. Vor allem Jeschke, mit seinem eingefallenem Gesicht und den ausgehungerten Augen, machte tagelang Schlagzeilen und bereitete der Öffentlichkeit zunehmend Sorgen. Diese dürften jetzt erstmal weg sein, Jeschkes Wangen sind zurück und auch sonst scheint der junge Mann an diesem Abend körperlich erholt und gesund zu sein. Seine Wut über die vermeintliche Untätigkeit der Politik ist allerdings geblieben - und die bekommt Scholz zu spüren.

In den ersten zehn Minuten lässt Jeschke noch seiner - etwas diplomatischeren - Kollegin Bonasera den Vortritt. "Ja, ich bin verzweifelt", leitet die Aktivistin mit zittriger Stimme ihren Vorwurf ein, "wir befinden uns in einer tödlichen Klimakrise und wir haben eine Politik, die die Möglichkeit hat, das Ruder rumzureißen, aber immer wieder wissentlich und willentlich Maßnahmen ergreift, die uns weiter in diese Klimakrise hineinführen." Stille. Dann antwortet Scholz wie erwartet, emotionslos: "Ich glaube schon, dass wir Herausforderungen haben...", und schon hört man Stichworte mit wenig Aussagekraft ("menschengemachter Klimawandel, keine Zweifel, höchste Zeit etwas zu tun"), was die jungen Aktivisten natürlich nicht auf sich beruhen lassen wollen.

Eine Dystopie folgt auf die andere

Bonasera zählt nochmal alle Warnungen auf, die selbst der größte Klimamuffel aufsagen kann: Überschreitung der 1,5 Grad, Flut, Dürren, Ernteausfälle, nur mehr drei bis vier Jahre, um das Allerschlimmste zu verhindern. Um zu veranschaulichen, wie dringlich die Lage ist, greift die Aktivistin zum Glas: "Wenn ich das runterfallen lasse, dann zerbricht das", sagt sie.

Scholz versucht wieder zu beruhigen und wählt dafür das für Klimaaktivisten wohl beunruhigendste Argument: klimaneutrale, "wirtschaftliche Produktionsweisen, die es möglich machen, ein starkes, leistungsfähiges Industrieland zu sein". Einmal sagt er sogar: "Wohlstand erhalten und zusätzlichen Wohlstand gewinnen."

Dann ergreift Bonaseras Kollege Jeschke das Wort - und lässt nicht mehr los. Er spricht von Milliarden von Menschen entlang des Äquators, die ihres Lebensraums beraubt würden, von einer "Klimahölle", dem Haus, das in Flammen stehe, der Hungerkatastrophe in Madagaskar. Eine Dystopie folgt auf die andere. "Es geht um Milliarden von Menschen, die sterben, lässt Sie das eigentlich ganz kalt, Herr Scholz, ist da keine Emotion?"

Und wahrscheinlich ist genau diese Wortmeldung die wohl beste Zusammenfassung des Diskussionsabends. Da sitzen zwei verzweifelte, junge Menschen, die sich wohl nichts eher wünschen als einen Politiker, der genau das aus ihren Zeilen herauslesen kann: Angst. Und der sie nicht nur herauslesen, sondern auch nehmen und in Hoffnung verwandeln kann. Wenn schon nicht mit überzeugenden Lösungsvorschlägen, dann wenigstens mit Empathie. Aber auf der anderen Seite saß Scholz. Und der hat zwar, das will man glauben, Empathie für diese jungen Menschen, aber er kann sie nicht zeigen.

Doch auch die Klimaaktivisten zeigen Schwächen. Scholz sagt: "Mit dem Hinweis auf die Ernsthaftigkeit des Problems ist kein konkreter Lösungsvorschlag verbunden." Nur Dystopien aufzuzählen, führt nicht in eine bessere Zukunft. Und so lassen sich Jeschke und Bonasera am Ende doch noch zu zwei konkreten Forderungen hinreißen. Erstens: eine Agrarwende bis 2030. Zweitens: ein sofortiges Gesetz, das es verbietet, Lebensmittel wegzuwerfen. Ansonsten werde es "gewaltlose, aber massive Proteste" im Januar geben. Es bleibt spannend.

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