Süddeutsche Zeitung

Fridays for Future:Greta Thunberg lehnt Umweltpreis aus Protest ab

  • Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat den Umweltpreis des Nordischen Rates abgelehnt. Der Preis der Länder Dänemark, Schweden, Norwegen, Island und Finnland ist renommiert und hochdotiert.
  • Thunberg bezeichnete die Auszeichnung als "riesige Ehre", lies aber erklären, dass die Klimabewegung keine Preise brauche. Stattdessen sollten Regierende endlich der Wissenschaft zuhören.
  • Der dänische Autor Jonas Eika wurde ebenfalls ausgezeichnet - und hielt den nordischen Regierungen "Staatsrassismus" vor. Er nahm den Preis aber an.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Wahrscheinlich hatten sie sich den Dienstagabend im Stockholmer Konzerthaus ein wenig harmonischer vorgestellt, die Regierungen des Nordischen Rates. Einmal im Jahr vergibt dieser Rat, das höchste politische Forum der nordischen Länder Dänemark, Schweden, Norwegen, Island und Finnland, renommierte und hochdotierte Literatur-, Kultur- und Umweltpreise. In diesem Jahr mussten sie jedoch erleben, wie die feierliche Zeremonie für Frontalangriffe gegen ihre Politik benutzt wurde.

So lehnte die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg ihren Preis rundheraus ab. Und der dänische Literaturjungstar Jonas Eika hielt den Regierungen, die ihn auszeichnen wollten, "Staatsrassismus" vor und griff die "Todesmaschinerie des Kapitalismus" an.

In einer Erklärung des Nordischen Rates hieß es, Thunberg erhalte den Preis dafür, dass sie Millionen Menschen in aller Welt dazu mobilisiert habe, zu einem kritischen Zeitpunkt politisches Handeln für das Klima einzufordern. Thunberg selbst ist nicht in Skandinavien, sie reist seit zwei Monaten durch Nordamerika. Sie hatte aber zwei junge Aktivistinnen, Sofia Axelsson und Isabelle Axelsson, als ihre Vertreterinnen ins Konzerthaus geschickt. "Sie sind diejenigen, die dafür sorgen, dass die Klimakrise weitergeht", sagten die beiden in Richtung der anwesenden Politiker und Würdenträger, und verlasen dann eine Erklärung Thunbergs.

"Eine riesige Ehre", aber ...

Erst in diesem Moment wurde klar, dass Thunberg den Preis und auch das Preisgeld in Höhe von umgerechnet 47 000 Euro ablehnen würde. In der Erklärung bedankte sie sich zwar für die Auszeichnung und nannte sie "eine riesige Ehre". Dann aber sagte sie: "Die Klimabewegung braucht keine weiteren Preise. Wir brauchen Politiker und Regierendem, die endlich der neuesten Wissenschaft zuhören."

An dieser Stelle sei ein Gemurmel durch das Publikum gegangen, meldete die schwedische Zeitung Aftonbladet, "und dann brach Applaus aus".

In ihrer Stellungnahme, die Thunberg auch auf Instagram postet, warf sie den nordischen Ländern vor, zu Unrecht einen Ruf als Vorreiter im Klimaschutz zu genießen: "Prahlerei" und "schöne Worte" verdeckten die weniger schöne Realität. Die nordischen Länder gehörten zu den reichsten der Welt, ihr ökologischer Fußabdruck sei wie im Falle Schwedens noch immer um ein Vierfaches zu hoch und die Kluft zwischen notwenigen Taten und aktueller Politik "gigantisch".

Thunberg verwies auf das Beispiel Norwegen, wo die Regierung in diesem Jahr eine Rekordzahl von Lizenzen für neue Bohrungen an Öl- und Gasfirmen verteilte. "Wir leben in den Ländern, die die Möglichkeiten hätten, am meisten zu tun", erklärte Thunberg. "Und dennoch tun unsere Länder im Prinzip noch immer nichts."

Die Aktivistin Isabella Axelsson von der Fridays-for-Future-Bewegung, die Thunbergs Erklärung verlesen hatte, sagte hernach zu Reportern, sie empfinde es als befremdlich, dass diese Regierungen ihnen eine Auszeichnung verleihen wollten: "Der einzige Preis, den wir wollen, ist eine gute Zukunft."

Literaturpreis trotz Kritik angenommen

Den Literaturpreis des Rates, die höchste Auszeichnung für Schriftsteller im nordischen Raum, erhielt der 28-jährige Däne Jonas Eika für seine Kurzgeschichtensammlung "After the Sun". In seiner Rede attackierte er dann unter anderem die Ausländerpolitik der nordischen Länder, vor allem auch die der dänischen sozialdemokratischen Regierung, der er "staatlichen Rassismus" vorwarf.

Auch seine Rede war ein so scharfer Angriff auf die Politik, dass danach einer der Mitarbeiter des Rates auf der Bühne den Autoren erst einmal fragen musste, ob er den Preis denn nun annehme. Jonas Eika nahm an.

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