Klimapolitik:Es geht - wenn man will

In fast allen Bereichen des Lebens könnten die Sondierer der Jamaika-Koalition etwas für die Rettung der Erdatmosphäre tun. Dazu braucht es aber verbindliche Ziele - und es hilft nichts, Kosten zu verschweigen.

Von Michael Bauchmüller

Für den praktizierten Kampf gegen die Erderwärmung gibt es beim Gipfel in Bonn Busse. Das Land Nordrhein-Westfalen, sonst keine Leuchte im Klimaschutz, karrt damit Teilnehmer der Klimakonferenz kreuz und quer durchs Land. Vor Ort sollen sie sich ansehen, wie ein Windpark funktioniert, ein Elektroauto entsteht oder wie viel Energie ein gut gebautes Haus sparen kann. Die Exkursion mit dem größten Nutzwert steht leider nicht auf dem Programm: die nach Berlin.

Dort findet sich derzeit das interessanteste Anschauungsmaterial für die globale Klimapolitik: ihre Umsetzung in Regierungshandeln. Denn während in Bonn mühselig verhandelt wird, wie sich nationale Klimapläne in Zukunft aufstellen lassen, wie man sie kontrolliert und aus den vielen Zielen einzelner Länder am Ende auch ein Stopp der globalen Erderwärmung wird, ringen die Jamaika-Sondierer in Berlin ernsthaft darum, ein Ziel einzuhalten. Das allein ist bemerkenswert.

"Transformation" ist das Lieblingswort der internationalen Klima-Community. All die Fern- und Mittelfristziele, die Sachstandsberichte, Klimaschutzpläne und Ambitionsniveaus - sie sollen münden in eine große Transformation von Industriegesellschaften, weg von Kohle, Öl und Gas. Ohne diesen Umbau ist das Klima nicht zu retten, doch er führt in demokratischen Staaten nur über Verhandlungen wie jetzt in Berlin; führt über den Widerstreit zwischen alter und neuer Welt.

Politik und Wirtschaft brauchen möglichst verbindliche Ziele

Um nichts anderes geht es beim Klimastreit von Union, FDP und Grünen. Teil eins des Umbaus hat in Deutschland schon begonnen, mit dem massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Jetzt steht Teil zwei an: das Ende fossiler Altenergien. Denn eine Energie-Wende, die letztlich doch das Nebeneinander von Ökostrom und Kohle duldet, verdient den Namen nicht. Sie nutzt auch dem Klima wenig. Nicht anders beim Verkehr. Wer bis zur Mitte des Jahrhunderts wirklich die Erdatmosphäre von fast allen Emissionen entlasten will, der muss den Weg bahnen in eine emissionsfreie Mobilität. Doch ein Enddatum für den Verbrennungsmotor, wie fern es auch sei, wollen die Sondierer lieber vertagen.

Für alle, die derlei Debatten noch vor sich haben, lässt sich daraus eine Menge ableiten. Erstens: Es geht, wenn man will. In fast allen Bereichen des täglichen Lebens können die Verhandler in Berlin mehr Klimaschutz verabreden; sei es mit dem Aus für ältere Kohlekraftwerke, mit der Förderung energieeffizienter Gebäude oder dem Ausbau einer Ladeinfrastruktur für E-Autos. Zweitens: Der Umbau wird nicht leichter, wenn man schmerzhafte Konsequenzen ausblendet. Natürlich bedrohen saubere Technologien auch Arbeitsplätze in bestehenden Industrien. Die Verlockung ist groß, diese Jobs zu schützen, nur nutzt es keinem. Je später der Strukturwandel beginnt, umso schwerer wird es, ihn vernünftig zu flankieren. Aufhalten lässt er sich nicht.

Und drittens: Ohne möglichst verbindliche Ziele geht es nicht. Ohne das deutsche Klimaziel und seine drohende Verfehlung hätte der Klimaschutz nie die Bedeutung erlangt, die er nun in den Sondierungen hat. Dann hätte Deutschland auch nicht befürchten müssen, international Glaubwürdigkeit einzubüßen. Mit dem Pariser Abkommen und seinen Selbstverpflichtungen blüht das bald vielen anderen Staaten.

Ja, auch eine Exkursion in die Gegenrichtung wäre nicht schlecht. So manchem Sondierer dürfte dann aufgehen, dass die Berliner Debatte alles andere als exotisch ist. Nicht nur Staaten, auch Konzerne stecken längst tief in der "Transformation", viele begreifen sie als Chance für eine gründliche Modernisierung. Klimaschutz ist für sie keine Bedrohung, sondern Geschäft. Da könnte manch Liberaler oder Unions-Verhandler einiges lernen.

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