Klimapolitik der CDU:Abschied von Ambitionen

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Windräder in Uttenweiler vor einem Alpenpanorama, das durch den Föhn näher wirkt, als die Berge tatsächlich sind. (Foto: Thomas Warnack/DPA)

Als vor der letzten Bundestagswahl das Klima noch in aller Munde war, gab sich die Union grasgrün – nun setzt sie auf Wirtschaft und Migration. Doch in Baden-Württemberg zeigt sich: Leicht wird der Spurwechsel nicht.

Von Roland Muschel, Stuttgart

Es gibt auch gute Nachrichten, etwa Fortschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität, die Baden-Württemberg spätestens 2040 erreichen will. Und damit fünf Jahre früher als der Bund und zehn Jahre früher als die Europäische Union. Baden-Württemberg zum „Klimaschutzland Nummer eins in Deutschland und Europa“ zu formen – das ist das ambitionierte Ziel, das Grüne und CDU im Sommer 2021 in ihrem Koalitionsvertrag ausgegeben hatten.

Und ja, es geht voran. Gerade erst hat Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) für 2024 einen „Fotovoltaik-Rekord in Baden-Württemberg“ vermeldet, einen Zuwachs an Solarenergie, der den der Vorjahre noch übertraf. Da ist die Beschleunigung bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen – statt sieben Jahre dauert es im Schnitt nun dreieinhalb, bis sich neue Rotoren drehen können. Und da ist auch die Vorreiterrolle des Südwestens bei der kommunalen Wärmeplanung, einem Instrument zur Umsetzung der Energiewende vor Ort. Alles hoffnungsvolle Schritte.

Das Zwischenziel für 2030 wird um 17 Prozent verfehlt

Es geht nur nicht schnell genug voran – gemessen an den Ankündigungen, gemessen aber auch am Landesklimagesetz. Denn nach einer Prognose von Wissenschaftlern wird die grün-schwarze Koalition mit den bisherigen Maßnahmen ihr Zwischenziel für 2030 bei der CO₂-Reduktion um 17 Prozent verfehlen, bezogen auf die absolute Menge. So steht es im Projektionsbericht des Klimasachverständigenrats, den die Landesregierung selbst eingesetzt hat. Sorgenkinder sind die Sektoren Energiewirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft.

Die Frage ist nun, was daraus folgt. Das Landesklimagesetz schreibt der Regierung vor, bei Feststellung einer „erheblichen Zielabweichung“ weitere Maßnahmen zu beschließen. Daran fühlt sich Umweltministerin Walker gebunden, für sie ist der Fall klar. „Als Landesregierung sollten wir den Projektionsbericht als Weckruf verstehen, um unseren Standort weiter zu modernisieren“, sagt die Grünen-Politikerin.

Doch die CDU blockiert seit Wochen die Verabschiedung einer Kabinettsvorlage der Umweltministerin, mit der die „erhebliche“ Zielabweichung festgestellt und „notwendige Nachsteuerungen“ beschlossen werden sollen. „Eine ‚erhebliche Zielabweichung‘ sehen wir nicht, weil es sich um eine Projektion in die Zukunft unter vielen Annahmen handelt, und nicht um tatsächlich gemessene Zahlen“, sagt der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Raimund Haser. Die Christdemokraten setzen auf ein Weiter-so.

Zurzeit hat Klimaschutz keine Konjunktur

Die Auseinandersetzung in Stuttgart steht beispielhaft für eine Entwicklung, die auch andernorts zu beobachten ist: Klimaschutz hat nicht mehr die Konjunktur, die er noch im Wahljahr 2021 hatte. Damals sorgte die Fridays-for-Future-Bewegung dafür, dass Klimaschutz sowohl bei der Bundestagswahl als auch bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg ganz oben auf der politischen Agenda stand.

Inzwischen wird über andere Themen diskutiert: die schwächelnde Wirtschaft, der Krieg in der Ukraine, die Migration. Klimaschutz gilt nicht mehr als Gewinnerthema. Und das Vorgehen der Christdemokraten in Stuttgart, Berlin und Brüssel wirkt wie ein Seismograf der veränderten Stimmungslage. Die Grünen finden allerdings: Es wirkt wie ein negativer Verstärker.

Erst vergangene Woche hatte die Führungsriege der Europäischen Volkspartei (EVP) gefordert, zentrale Elemente der EU-Nachhaltigkeitsgesetzgebung um zwei Jahre zu verschieben. Es müsse sichergestellt werden, dass die ehrgeizigen Klimaziele der EU nicht zur Deindustrialisierung führten, heißt es in dem Positionspapier, das auf der Klausur der Mitte-Rechts-Partei in Berlin beschlossen wurde. An dem Treffen hatten auf Einladung des Kanzlerkandidaten der Union, Friedrich Merz, christdemokratische Parteichefs aus vielen Mitgliedsstaaten teilgenommen.

Der Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg las sich 2021 in weiten Teilen wie ein grünes Wahlprogramm

Der Beschluss deckt sich mit der Stimmungslage in der Südwest-CDU. Dabei hatten sich die Christdemokraten zwischen Konstanz und Mannheim nach der klaren Niederlage bei der Landtagswahl 2021 noch maximal klimabewegt gegeben. Die Koalitionsverhandlungen mit den grünen Wahlgewinnern um Ministerpräsident Winfried Kretschmann führte man symbolträchtig im „Haus des Waldes“ in Stuttgart.

Der Koalitionsvertrag las sich dann auch in weiten Teilen wie ein grünes Wahlprogramm. Bei der Vorstellung versicherte der damalige CDU-Landeschef Thomas Strobl, beim Klimaschutz hätten die Grünen bei seiner Partei „offene Türen eingerannt“, die Vereinbarungen seien „zu 100 Prozent DNA der CDU“.

Viele Parteifreunde betrachten das festgeschriebene Ziel, „spätestens im Jahr 2040“ Klimaneutralität „mit Netto-Null-Emissionen“ zu erreichen, inzwischen jedoch äußerst skeptisch. Es gibt in den Reihen der CDU Kritik an Details, aber auch daran, ein Ziel auszugeben, das das Land ohne gesetzgeberische und finanzielle Hilfe aus Brüssel und Berlin schwerlich erreichen kann. Auf den Hochlauf der Elektromobilität etwa hat die Politik in Stuttgart nur sehr bedingt Einfluss.

Weniger Tiere in der Landwirtschaft? Nicht mit der CDU

Einwirken kann das Land dagegen auf seine Landwirtschaft. Dieser Sektor, empfiehlt eine ebenfalls vom Land initiierte Studie, solle nicht nur den Ökolandbau ausbauen, sondern auch den Tierbestand stark reduzieren. Da möchte die CDU nicht mitgehen. Weniger Kühe auf Baden-Württembergs Wiesen würden die Klimaproblematik nicht lösen, der Vorschlag sei „absoluter Blödsinn“, sagt Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU).

Bei einer Landtagsdebatte hatte der CDU-Abgeordnete Haser Ende 2023 auch schon sehr grundsätzliche Zweifel am isolierten Blick auf den CO₂-Ausstoß geäußert.  Beim Verkehr, so hatte Haser ausgeführt, sei es mit Blick aufs Klima immer gut, wenn weniger CO₂ ausgestoßen werde; wenn also beispielsweise mehr Güter per Schiene transportiert würden. Wenn aber weniger Lastwagen fahren würden, weil weniger Güter produziert und transportiert werden müssten, sei das „keine gute Nachricht“.

Wirtschaftliche Gesichtspunkte, so durfte man Hasers Ausführungen wohl interpretieren, sind für die CDU mindestens so wichtig wie der Klimaschutz.

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