Sollen Arbeitnehmer am Freitag für mehr Klimaschutz auf die Straße gehen? Was für eine Frage: Wem die Rettung des Klimas am Herzen liegt, der sollte natürlich mitdemonstrieren bei einer der Fridays-for-Future-Kundgebungen, die überall im Land stattfinden werden, während in Berlin das Klimakabinett tagt. Die heiklere Frage aber ist eine andere: Sollen Arbeitnehmer am Freitag für mehr Klimaschutz streiken? Auch hier ist die Antwort klar: Natürlich nicht!
Der Aufruf der Fridays-for-Future-Organisatoren erging dieses Mal an Schüler, Eltern, Lehrer, Arbeitgeber, Angestellte, Arbeitslose, Azubis. Ein Unterstützerbündnis aus Umweltverbänden, Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmen ruft ebenfalls zum Demonstrieren auf. Das aber ändert nichts daran, dass Arbeitnehmer trotzdem nicht fürs Klima streiken dürfen. Sie können Urlaub nehmen, ihr Gleitzeitkonto abbauen, die Mittagspause nutzen oder ihre Schicht tauschen. Und einige arbeiten sogar in Firmen, die ihren Beschäftigten dezidiert frei geben am Freitag. Alles stehen und liegen lassen aber dürfen die Arbeitnehmer nicht. Und das ist keineswegs eine beklagenswerte Lücke im Streikrecht, sondern gut so.
"Fridays for Future"-Aktionstag:Nur wenige deutsche Großunternehmen unterstützen den Klimaprotest
Gemeinsam mit den Schülern fürs Klima demonstrieren, das ist die Idee des weltweiten Aktionstages am kommenden Freitag. Doch auf die Frage, ob sie den Protest unterstützen, blocken die großen deutschen Konzerne ab.
In Deutschland dürfen nur Gewerkschaften zu einem Streik aufrufen - und auch das nur für Dinge, die sich in Tarifverträgen regeln lassen. Greenpeace oder der ADAC also sind generell raus, und auch Verdi oder die IG Metall dürften ihre Mitglieder nicht zu einem Ausstand zur Rettung der Bienen oder gegen Sterbehilfe mobilisieren. Der politische Streik ist hierzulande schlicht nicht vorgesehen, genauso wenig wie der Generalstreik. In anderen Ländern ist das zum Teil anders, etwa in Frankreich. In Deutschland aber sorgen Tarifpartnerschaft und Mitbestimmung für eine weniger konfrontative Kultur zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, und die hat sich schon oft bewährt, zuletzt etwa in der Wirtschafts- und Finanzkrise.
Hinzu kommt: Wer heute verlangt, Streiken fürs Klima müsse erlaubt werden, gerät auf gefährliches Terrain. Soll es dann auch zulässig sein, die Arbeit niederzulegen, um bei Pegida mitzumarschieren? Und wenn nicht: Wer soll entscheiden, was eine "gute" Demo ist, für die man streiken darf, und was eine "böse", für die das nicht gilt? Ein derartiges Gesinnungsstreikrecht wäre ein Unding und würde demokratische Grundrechte gerade nicht schützen, sondern nachhaltig beschädigen.
Die Gewerkschaften wissen, dass der politische Streik für sie eine No-Go-Area ist. Deshalb werben sie zwar dafür, am Freitag mitzudemonstrieren, achten aber sorgsam darauf, auf ihrer Seite des Absperrbands zu bleiben. Verdi etwa ruft dazu auf, dabei zu sein bei den Klimademos, ergänzt den Aufruf aber um den Halbsatz "wem immer es möglich ist".
Dass man am Freitag nicht einfach den Stift fallen lassen oder den Bagger abstellen kann, hat noch einen positiven Aspekt: Die Teilnahme an den Demonstrationen wird Arbeitnehmer etwas kosten, einen Tag Urlaub beispielsweise, und auch die Unternehmen, die mit von der Partie sind, müssen ein bisschen Umsatz opfern oder zumindest den gewohnt reibungslosen Gang der Dinge. Wie viele trotzdem mitmachen werden, könnte ein erster Gradmesser sein für die Bereitschaft der Bürger und der Wirtschaft, auch die anderen Kosten eines besseren Klimaschutzes zu tragen. Das wäre schon mal was.