Klimaneutralität bis zum Jahr 2045, kein Abrücken vom Kohleausstieg trotz der Energiekrise, mehr Hilfen für stark betroffene Länder: Zum Auftakt der Weltklimakonferenz hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Grundzüge der deutschen Klimapolitik bekräftigt. "Es darf keine weltweite Renaissance der fossilen Energien geben", forderte Scholz in Scharm el-Scheich. "Und für Deutschland sage ich: Es wird sie auch nicht geben." Die Energiekrise infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine zwinge sein Land zwar dazu, auch Kohlekraftwerke wieder ans Netz zu nehmen; am Ziel, aus der Kohleverstromung auszusteigen, halte man aber fest.
Bis 2045 wolle Deutschland als eines der ersten Industrieländer klimaneutral werden, sagte Scholz. Er forderte von der Klimakonferenz, sich "auf ein robustes Arbeitsprogramm zur Emissionsminderung" zu verständigen. Dieses müsse die "bislang klaffende Umsetzungslücke" schließen.
Scholz warb erneut für seine Idee eines "Klimaclubs" - so wie er es als amtierender Vorsitzender der G-7-Gruppe der stärksten westlichen Wirtschaftsnationen getan hat. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass sich willige Staaten zusammentun und beim Klimaschutz vorangehen. Dieser Club stehe "allen offen", so Scholz.
Zugleich versprach der Bundeskanzler, die Länder, die von den Folgen der globalen Klimaerwärmung am härtesten betroffen sind, stärker als bisher zu unterstützen - etwa bei Anpassungen an neue klimatische Bedingungen - oder auch bei der Bewältigung von Schäden infolge der Klimakrise.
In den vergangenen drei Jahren habe Deutschland die öffentlichen Gelder für die internationale Klimafinanzierung um mehr als ein Drittel erhöht - auf insgesamt 5,3 Milliarden Euro im Jahr 2021. Bis 2025 werde Berlin den Beitrag aus öffentlichen Mitteln für die internationale Klimafinanzierung auf sechs Milliarden Euro jährlich ausbauen. So sagte Scholz eine Verdoppelung der deutschen Mittel für den weltweiten Schutz der Wälder von einer auf zwei Milliarden Euro zu. Außerdem werde Deutschland für einen globalen Schutzschirm zur Abfederung der Schäden bei Klimakatastrophen wie Dürren, Wirbelstürmen oder Fluten 170 Millionen Euro zur Verfügung stellen.
COP 27:"Die Menschheit hat die Wahl: kooperieren oder untergehen"
Bei der Weltklimakonferenz in Ägypten fordert UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Länder auf, einen Klimasolidaritätspakt zu schließen. Irritiert zeigen sich Beobachter, dass Staatschefs einiger für den Klimaschutz wichtiger Staaten fehlen.
In Scharm el-Scheich hat mit den Auftritten hochrangiger Politiker die zweiwöchige Weltklimakonferenz begonnen. Erklärtes Ziel des auch COP27 genannten Treffens: Die Erderwärmung soll auf höchstens 1,5 Grad begrenzt werden. Forscherinnen und Forscher betonen jedoch, dass es immer schwieriger wird, dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen. Bereits jetzt hat sich die Welt um 1,15 Grad erwärmt. Um den Anstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssten die Emissionen bis zum Ende dieses Jahrzehnts um 43 Prozent sinken - das ist äußerst ehrgeizig.
Welche Fragen werden auf der Konferenz in Ägypten diskutiert? Welche Spitzenpolitikerinnen und -politiker werden erwartet? Was sagen Klimaschutzaktivisten? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was passiert am Montag und Dienstag in Scharm el-Scheich?
Nachdem die COP27-Konferenz offiziell eröffnet worden und der ägyptische Außenminister Samih Schukri zum Präsidenten der Versammlung gewählt worden ist, stehen am Montag zum ersten Mal inhaltliche Diskussionen und Beratungen auf höchster politischer Ebene an.
Es werden Reden von Dutzenden Staats- und Regierungschefs erwartet, darunter von Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Kanzler wirbt für einen Club von Ländern, die beim Klimaschutz vorangehen.
Am Montag und am Dienstag werden zudem in parallel laufenden Gesprächsrunden, sogenannten "Round Tables", über Themen wie Wasser- und Lebensmittelsicherheit oder grünen Wasserstoff beraten. Nach den Reden, die auch am Dienstag fortgesetzt werden, lädt der ägyptische Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi zu einem offiziellen Empfang. Zur Konferenz sind etwa 45 000 Teilnehmer vor Ort registriert, die meisten davon als Delegierte von Staaten.
Weltklimakonferenz:Ägypten macht es Klimaaktivisten schwer
Die Menschenrechtslage im Gastgeberland der Weltklimakonferenz ist schwierig. Proteste in Scharm el-Scheich sind zwar erlaubt - doch viele Demonstranten schaffen es erst gar nicht, dort anzukommen.
Welche Staats- und Regierungschefs sind anwesend und welche nicht?
Neben Scholz sind auch der französische Präsident Emmanuel Macron und der neue britische Premierminister Rishi Sunak zu Gast bei der Klimakonferenz am Roten Meer. US-Präsident Joe Biden und Brasiliens neu gewählter Präsident Luis Inacio Lula da Silva werden erst im Lauf der Woche in Ägypten erwartet. Chinas Präsident Xi Jinping und Indiens Regierungschef Narendra Modi werden an dem Gipfel nicht teilnehmen.
Zu den deutschen Spitzenpolitikern, die nach Scharm el-Scheich reisen, zählen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD), Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne).
Welche Schwerpunkte werden bei der COP27 gesetzt?
Besonderes Augenmerk wird in diesem Jahr auf diejenigen Länder gelegt, die besonders verletzlich sind, weil sie überdurchschnittlich von klimabedingten Veränderungen und Extremwetterereignissen betroffen sind. Außerdem steht die Finanzierung von Schäden und Verlusten durch die Klimaerwärmung zum ersten Mal auf der offiziellen Tagesordnung. Eine Einigung auf tatsächliche finanzielle Hilfen gilt aber als schwierig.
Stimmen und Appelle zum Konferenzauftakt
Kritik an der Klimakonferenz sowie Appelle und Mahnungen kommen von vielen Seiten. Als ein Problem der Konferenz sehen einige Beobachter, dass die Beschlüsse einstimmig von allen 195 in Scharm el-Scheich vertretenen Staaten gefällt werden müssen, was die Durchsetzung von Maßnahmen erschwert.
Luisa Neubauer, Sprecherin der Friday of Future-Bewegung in Deutschland, nimmt als Teil der internationalen Unicef-Delegation an dem Gipfel teil. Sie wirft der Bundesregierung im Deutschlandfunk eine Blockadehaltung gegenüber Schadenersatzforderung armer Entwicklungsländer vor, die besonders unter dem Klimawandel und seinen Folgen leiden. Bislang wehren sich die führenden Industrieländer gegen konkrete Kompensationsforderungen. Bei dem Gipfel in Scharm el-Scheich steht das Thema erstmals auf der Tagesordnung.
Auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hat das Thema aufgegriffen und darauf hingewiesen, dass es "bereits heute erhebliche Klimaschäden gibt, gerade in den ärmsten Ländern". Um diese abzumildern, bringt Schulze den von Deutschland vorgeschlagenen "Schutzschirm gegen Klimarisiken" ins Gespräch, eine Art Versicherung gegen klimabedingte Schäden und Verluste in armen Ländern.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sendet mahnende Worte an die Staatengemeinschaft: "Die Menschheit steuert auf einen Abgrund zu, auf eine Erwärmung von über 2,5 Grad". Auf der Klimakonferenz wolle sich Deutschland daher für ein "robustes Arbeitsprogramm" mit konkreten Minderungsschritten beim CO2-Ausstoß einsetzen.
UN-Generalsekretär António Guterres warnt mit düsteren Worten vor den Folgen der Erderhitzung: "Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle - mit dem Fuß auf dem Gaspedal", sagte Guterres. Zu befürchten seien immer mehr Dürren, Überschwemmungen und Unwetter. "Wir kämpfen den Kampf unseres Lebens - und sind dabei zu verlieren".