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Kampf gegen die Klimakrise:Worum es bei der Klimakonferenz in Scharm el-Scheich geht

In Ägypten kommen die Länderdelegationen von Sonntag an für zwei Wochen zusammen, um über die Umsetzung der Klimaziele zu diskutieren. Aktivistinnen zeigen sich jedoch skeptisch.

Von Sarah Kohler

Im ägyptischen Scharm el-Scheich beginnt am Sonntag die 27. Weltklimakonferenz, auch COP27 genannt. Bei dem Treffen wird darüber beraten, wie man das im Pariser Abkommen vereinbarte Ziel erreichen kann, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Jeder der 197 Unterzeichner der UN-Klimarahmenkonvention verfolgt eigene Interessen, ein Konsens ist schwierig. Aktivistinnen protestierten schon im Vorfeld, Forscher geben sich skeptisch.

Was passiert?

Die diesjährige Konferenz dauert ganze zwei Wochen, sie beginnt an diesem Sonntag, den 6. November, und endet am Freitag zwei Wochen später, dem 18. November. Treffen werden sich die Delegationen der teilnehmenden Länder in der ägyptischen Stadt Scharm el-Scheich auf der Sinai-Halbinsel, die ansonsten eher als Badeort bekannt ist. Es ist die 27. Klimakonferenz; die erste fand 1995 in Berlin statt. Im letzten Jahr hatte Großbritannien die Klimakonferenz ausgerichtet.

Auf dem Programm stehen Verhandlungen unterschiedlichster Art. Jeder Tag hat ein Thema, jeden Tag kommen andere Runden zusammen, Staats- und Regierungschefs, Aktivistinnen, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Wirtschaftschefs. Ziel ist es, die Umsetzung der selbst gesteckten Ziele voranzubringen.

Bundesklimaminister Robert Habeck setzte kurz vor Beginn den Ton: "Die Weltgemeinschaft bewegt sich nicht schnell genug in Richtung Klimaneutralität", sagte Habeck in einer auf Twitter veröffentlichten Videobotschaft. Beim Klimaschutz gehe es nicht darum, das Klima selbst zu schützen, sondern um das Überleben der Menschheit, betonte Habeck. "Klimaschutz ist Menschenschutz - und das ist, glaube ich, nicht allen in der Dringlichkeit klar."

Wer kommt?

Eingeladen sind die 197 Unterzeichner der UN-Klimarahmenkonvention ("United Nations Framework Convention on Climate Change", kurz UNFCCC). Dazu gehört auch Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz hat angekündigt, für zwei Tage nach Ägypten zu reisen und im Plenum der Staats- und Regierungschefs am 7. November das nationale Statement zu halten sowie am Tag darauf an verschiedenen Gesprächsrunden teilzunehmen. Zuletzt hatte der Expertenrat der Bundesregierung gewarnt, dass Deutschland nach derzeitigem Stand seine Klimaziele für 2030 verfehlen werde. Auch die EU kommt mit einer eigenständigen Vertretung.

Dabei sein werden auch die größten CO₂-Emittenten. Chinas Präsident Xi Jinping will trotz aller Aufforderungen bei der Nutzung von Kohle bleiben. Die USA wollen dagegen die Menge an sauberer Energie verdreifachen und die Kohlenstoffdioxidemissionen drastisch reduzieren. Parallel zur Konferenz, am 8. November, wird allerdings ein neuer US-Kongress gewählt - und viele fürchten, die Republikaner könnten alle Zusagen für mehr Klimaschutz zurücknehmen.

Dazu kommen die Schwellenländer. Vor allem Brasilien, Südafrika, Indien und China bilden den Block bevölkerungsreicher und schnell wachsender Länder mit stark verschmutzenden Industrien. Zu einer der weiteren Gruppen gehört auch das "Climate Vulnerable Forum": Es vertritt 58 Länder, die am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels bedroht sind.

Neben den Ländervertretungen kommen zahlreiche Aktivistinnen, Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und Journalisten. Auch Klimaaktivisten aus Deutschland werden dort erwartet, wie die bekannte Fridays for Future-Aktivistin Luisa Neubauer. Greta Thunberg hat dagegen ihre Teilnahme abgesagt; sie bezeichnete die Konferenz als Forum zum "Greenwashing" und kritisierte die eingeschränkten Möglichkeiten für Proteste.

Anschließen wollte sich eigentlich auch der neue britische König Charles III., hatte jedoch offenbar unter dem Druck der ehemaligen Premierministerin Liz Truss absagen müssen.

Worum wird gestritten?

Schon im Vorfeld wurden Vorwürfe und Forderungen laut: Indien hat die Industrieländer dazu aufgerufen, ihr Versprechen einer Klimafinanzierung für Entwicklungsländer einzuhalten. Die Industrieländer haben von 2020 an eine Zahlung von jährlich hundert Milliarden US-Dollar zur Klimafinanzierung zugesagt. Dabei sollten Emissionen eingespart und Projekte zur Anpassung an den Klimawandel finanziert werden. Dass die Industriestaaten dieses Ziel nicht eingehalten haben, ist längst bekannt - Uneinigkeit gibt es nur darüber, wie groß die ausstehende Summe ist und wer sie zahlt.

Schwerpunkt der Verhandlungen in diesem Jahr soll unter anderem das Thema "Schäden und Verluste" sein: Unter diesem Titel wird diskutiert, wer die Rechnung für die verheerenden Folgen des Klimawandels bezahlt wie anhaltende Dürren, Überschwemmungen oder Stürme. Das "Climate Vulnerable Forum" fordert zum Beispiel einen Finanzmechanismus, der sie für wegen des Klimawandels entgangene Möglichkeiten entschädigt. Es geht dabei auch um die Deutungshoheit: Inwiefern tragen heute reiche Industrienationen mehr Verantwortung für aktuelle Klimaschäden, und inwieweit müssen sie ärmere Länder für aufgrund dessen verpasste Chancen entschädigen - und in welcher Höhe?

Gibt es Proteste?

Schon im Vorfeld gab es Berichte über die Einschränkung von Demonstrations- und Versammlungsrecht. Rund 300 Festnahmen von Aktivisten soll es in Scharm el-Scheich und anderen Städten Ägyptens gegeben haben. Die landesweiten Festnahmen erfolgten im Zusammenhang mit angekündigten Protesten, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr. Demnach wird Dutzenden Personen die Verbreitung von Falschnachrichten sowie der Missbrauch sozialer Medien und Beteiligung an terroristischen Gruppen vorgeworfen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch rief die Bundesregierung auf, die schlechte Menschenrechtslage in Ägypten offen anzusprechen. "Die ägyptische Regierung könnte den COP-27-Vorsitz nutzen, um ein Bild der Offenheit und Toleranz zu vermitteln, obwohl die politische Unterdrückung unter der Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi eine der schlimmsten Menschenrechtskrisen des Landes seit Jahrzehnten verursacht hat", warnte die Menschenrechtsexpertin Katharina Rall im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Auch Amnesty kritisierte die Repression gegen zivilgesellschaftliche Organisationen und Medienschaffende im Gastgeberland Ägypten. Besonders prominent ist bei den Protesten der seit Jahren inhaftierte Demokratieaktivist Alaa Abdel Fattah, der nach einem monatelangen Hungerstreik ab Sonntag - also zeitgleich mit dem Beginn der COP27 - auch kein Wasser mehr trinken will. Sein Zustand wird zunehmend lebensbedrohlich.

Wie stehen die Aussichten?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bewertet die Erfolgsaussichten für die bevorstehende Klimakonferenz skeptisch. Die Welt trete ein in eine neue Periode des Konflikts, wenn nicht sogar der Konfrontation, sagte Steinmeier am Samstag in einer Diskussionsrunde in der südkoreanischen Stadt Busan. "Es ist schwer vorstellbar, dass in Zeiten von Konflikt und sogar militärischer Konfrontation Staaten wie Russland oder China eine konstruktive Rolle in und nach Scharm el-Scheich spielen werden."

Auch der Klimaforscher Ottmar Edenhofer hat wenig Hoffnung, dass sich die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzen lässt. "Wir haben zu lange gezaudert", sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung am Freitag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur. Um so wichtiger sei es, nun entschlossen zu handeln, um den Anstieg auf jeden Fall unter zwei Grad zu halten. "Es geht darum, die Klimarisiken für die Menschen und übrigens auch für unsere Wirtschaft wirksam zu begrenzen."

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