Weltklimakonferenz COP27:Die Armen fordern einen neuen Deal

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Mia Mottley, Präsidentin von Barbados, kritisiert, die Welt heute ähnele immer noch zu sehr der Welt, die in Imperien eingeteilt war. (Foto: Peter Dejong/AP)

Die Entwicklungsländer prangern bei der Weltklimakonferenz das internationale Finanzsystem an, das sie massiv benachteilige. Deutschland möchte deshalb die Weltbank reformieren.

Von Thomas Hummel, Scharm el-Scheich

Jürgen Zattler fasst das Problem in einen Satz: "Es ist für Entwicklungsländer sehr schwierig, an Geld zu kommen." Der Ministerialdirektor im Bundesentwicklungsministerium kommt viel herum in der Welt, verhandelt mit Regierungen über Kooperationen, wie Deutschland helfen kann, eine klimaneutrale Wende einzuleiten. Dabei geht es immer auch um Geld. Und damit um ein aktuell wachsendes Problem.

Mehr als 100 Staats- und Regierungschefs sprachen am Montag und Dienstag auf dem Podium der Weltklimakonferenz in Scharm el-Scheich. Und jedes Mal, wenn jemand aus Afrika oder Südasien oder aus dem Karibikraum auftrat, ging es hauptsächlich um Finanzen. Die Folgen der Pandemie, des russischen Krieges in der Ukraine, die Inflation und nun auch die Zinswende in den USA und Europa setzen den Entwicklungsländern schwer zu. Aktuell fließen riesige Finanzströme aus dem globalen Süden in die Industriestaaten. Die ärmeren Länder schafften es, das Thema "Schäden und Verluste" durch die Klimakrise erstmals auf die Tagesordnung einer Weltklimakonferenz zu setzen. Doch es geht nicht nur um Kompensation. Es geht um das ganz große Bild: um das internationale Finanzsystem.

"Und dann wundern wir uns", ruft die Präsidentin von Barbados

Die Welt heute, sagte Mia Mottley, Präsidentin des Inselstaats Barbados, ähnele immer noch zu sehr jener Welt, die einmal in Imperien eingeteilt war. Der Süden sei auf die Gnade des Nordens angewiesen. Sie prangert an, dass reiche Industriestaaten bei einer Kreditaufnahme ein bis vier Prozent Zinsen zahlen, Entwicklungsländer hingegen 14 Prozent. "Und dann wundern wir uns, wenn die Partnerschaften für eine Energiewende nicht funktionieren. Und wenn manche Länder lieber ihre Erdgasvorkommen ausbeuten wollen", rief sie ins Plenum. Ähnlich äußerten sich andere Regierungschefs.

Die größten Geldgeber sind etwa die Weltbank, der Internationale Währungsfonds (IWF) oder Entwicklungsbanken. Sie arbeiten generell nach einer Agenda, die von den Siegermächten nach dem Zweiten Weltkrieg entworfen wurde. Sie sollen Armut bekämpfen und Wachstum auslösen. Auf weltumspannende Krisen wie eine Pandemie, Artenverlust oder Erderwärmung haben sie keine Antwort, sagen Kritiker.

Das soll sich nun ändern. An der Weltbank sind 189 Staaten beteiligt, anteilig je nach Wirtschaftsstärke. Die USA sind Nummer eins mit etwa 15,5 Prozent Anteilen, Deutschland ist auf Rang vier mit etwas mehr als vier Prozent. "Wir haben die Weltbank aufgefordert, bis Ende des Jahres einen Plan für eine Reform vorzulegen. Im kommenden Frühjahr wollen wir Entscheidungen treffen", sagt Jürgen Zattler.

"Wir brauchen eine Speerspitze in der Klimafinanzierung."

Die USA unterstützen diesen Plan, der sich auf Empfehlungen einer Expertenkommission bezieht, die im Auftrag der G-20-Länder arbeitetet. Demnach soll die Weltbank bei ihrer Kreditvergabe weniger die Risikoeinschätzung der Rating-Agenturen beachten. Riesige Summen könnten so mobilisiert werden. Daneben seien Sondertöpfe nötig, um länderübergreifende Probleme anzugehen. "Wir brauchen einen Klima-Champion, wir brauchen eine Speerspitze in der Klimafinanzierung", sagt Jürgen Zattler.

Sven Harmeling wäre schon froh, würden die Weltbank und andere Institutionen ihre Kreditvergaben und Zuschüsse an die Klimaziele des Pariser Abkommens binden. Der Klimapolitik-Experte der Hilfsorganisation Care kritisiert, dass noch immer viel zu viel Geld in fossile Infrastruktur fließe. Außerdem brauche es auch mehr Geld für soziale Sicherung, etwa um Betroffenen nach Naturkatastrophen zu helfen. Harmeling sieht in den vergangenen Monaten allerdings Fortschritte, der Druck auf die Institute sei groß.

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Weltbankpräsident David Malpass kündigte an, während der Konferenz in Scharm el-Scheich einen neuen Treuhandfonds einzurichten, um Entwicklungsländern zu helfen, mit dem Klimawandel fertigzuwerden. In diesem Jahr habe die Weltbank 32 Milliarden US-Dollar für Klimafinanzierung bereitgestellt, ein neuer Rekord. Malpass selbst spielt dabei eine nebulöse Rolle. Einst von Donald Trump eingesetzt, äußerte er kürzlich Skepsis an der Klimawissenschaft. Die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Kristalina Georgiewa, forderte die weltweite Einführung eines spürbaren CO₂-Preises, um neue Finanzmittel für die grüne Wende zu erschließen.

Doch all das reicht den Entwicklungsländern bei Weitem nicht. Sie fordern einen großen Systemwechsel. Auch, um sich im Zweifel selbst helfen zu können. Dazu zähle nach Ansicht von Mia Mottley eine Klausel im Schuldendienst. Sollte ihre Insel Barbados morgen von einem Hurrikan schwer getroffen werden, sagte sie, werde das Land mehr als 18 Prozent seines Bruttosozialprodukts mobilisieren, indem es zwei Jahre lang Zins und Tilgung zurückstelle, bis die Katastrophe zu Hause bewältigt sei. Ihr Fazit: "Wir brauchen einen neuen Deal."

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