Klimagipfel Kopenhagen:Trübe Sicht vom Gipfel

Wer geht wie weit? Beim Klimagipfel in Kopenhagen warten alle Verhandlungspartner darauf, dass das jeweils andere Land den ersten Schritt tut.

Cerstin Gammelin

Das Drehbuch ist geschrieben, die Akteure sind auf der Bühne. Das vereinbarte Szenario sieht vor, dass an diesem Donnerstag die letzten von mehr als 120 Regierungschefs aus aller Welt in Kopenhagen auf dem Klimagipfel eintreffen, dass sie dort bis Freitag intensiv verhandeln, und womöglich erst in den frühen Morgenstunden des Samstags, eine lang ersehnte Vereinbarung unterzeichnen.

Klimagipfel Kopenhagen: Einige Tage vor dem geplanten Finale ist noch nicht klar, ob die Klimakonferenz in Kopenhagen ein Erfolg wird. Sicher ist nur: Es gibt keinen "Planet B".

Einige Tage vor dem geplanten Finale ist noch nicht klar, ob die Klimakonferenz in Kopenhagen ein Erfolg wird. Sicher ist nur: Es gibt keinen "Planet B".

(Foto: Foto: Reuters)

Darin verpflichten sie sich, die Erwärmung der Atmosphäre auf zwei Grad gegenüber vorindustriellem Niveau zu begrenzen und die ärmsten Länder finanziell beim Bau von Dämmen oder modernen Kraftwerken zu unterstützen. Weitere Details verweisen sie an ihre Diplomaten. Die Chefs werden einander erleichtert in die Augen schauen, die Menschen draußen vielleicht jubeln.

Denn in den Tagen zuvor sah es so aus, als würde die Konferenz scheitern. Die vorliegenden Zusagen der Länder zur Verringerung der Treibhausgase reichten längst nicht aus, um die Erderwärmung so weit zu begrenzen, dass die schlimmsten Klimaänderungen ausbleiben.

Gespräche "auf Messers Schneide"

Erst als die größten Luftverschmutzer, die USA und die Europäische Union, in letzter Minute ihre Vorschläge nachbesserten, gelang der Durchbruch. So weit der Plan, der am Rande der Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin entstanden sein soll.

Natürlich ließ sich am Mittwoch, wenige Stunden vor dem geplanten Finale, nicht voraussagen, ob sich alle daran halten werden. Die Streitigkeiten um finanzielle Hilfen für Entwicklungsländer und Reduktionsziele für Klimagas unter den Verhandlern nahmen jedoch - wie vorgesehen - drastisch zu. "Auf des Messers Schneide" stünden die Gespräche, stöhnte ein hoher EU-Diplomat. Die Europäische Union steht ohnehin seit Beginn der Konferenz in der Kritik.

Anders als bei vergangenen Klimaverhandlungen seien die europäischen Vorschläge "völlig unzureichend", sagte Jennifer Morgan, Direktorin des World Resources Institute in Washington. Seit der EU-Erweiterung im Jahr 2004 habe die EU ihre weltweite Führungsrolle praktisch aufgegeben, da sich die 27 Länder untereinander kaum einigen konnten.

Ohne Geld kein Abkommen

Sie forderte die großen EU-Länder auf, allein voranzugehen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der britische Premier Gordon Brown stünden unter "besonderer Verantwortung". Sie müssten die Reduktionsziele nachbessern und ärmeren Ländern langfristige Finanzzusagen machen. "Wenn kein Geld auf den Tisch kommt, gibt es kein Abkommen", sagte auch Erwin Jackson, Direktor des Climate Institute in Sydney.

Die EU wies die Vorwürfe zurück. "Andere Länder müssen sich jetzt bewegen", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Die Chefs der Umweltorganisationen Oxfam, WWF und Greenpeace warnten, das Zögern der Industriestaaten, die armen Entwicklungsländer langfristig finanziell zu unterstützen, sei "ein absoluter Grund zum Abbruch". In den Verhandlungsrunden musste sich Dänemarks Premier Lars Løkke Rasmussen gegen Vorwürfe der chinesischen Delegation verteidigen, die dänische Verhandlungsführung sei "unzureichend".

Die Dänen würden keine verhandelbaren Vorschläge auf den Tisch legen, alles werde verzögert, kritisierten die Chinesen. Am Mittwoch warteten die Teilnehmer stundenlang auf ein neues Verhandlungspapier. Venezuelas Staatschef Hugo Chávez nutzte das UN-Forum, um gegen die aus seiner Sicht mangelhaften Vorschläge zum Klimaschutz und ganz allgemein gegen die westlichen Industriestaaten zu wettern.

Die wachsenden diplomatischen Spannungen verdecken aber das eigentliche Drama. Die von den Industrieländern einschließlich der USA vorgelegten Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen bis 2020 addieren sich bisher nur auf rund zwölf Prozent. Das ist weniger, als bisherige Verpflichtungen vorsehen. Und es ist verschwindend wenig, verglichen mit den Empfehlungen der UN-Wissenschaftler. Demnach müssen die Emissionen zwischen 25 und 40 Prozent sinken, um überhaupt in greifbare Nähe des Zwei-Grad-Ziels zu kommen.

Nichts als Zahlenspiele

Wollen sie öffentlich glaubwürdig bleiben, müssen die Regierungschefs also nachbessern. Insider erwarten, dass die Europäer versprechen werden, ihre Emissionen um bis zu 30 Prozent zu mindern. Kanzlerin Merkel hat das längst eingeplant. Deutschland will seine Emissionen bis 2020 um 40 Prozent verringern. Das entspräche dem neuen EU-Ziel.

Für Umweltorganisationen sind die neuen Zahlen nichts als "Zahlenspiele". Stephan Singer, Chef der europäischen WWF-Vertretung, warnte die Regierrungschefs davor, öffentlich strengere Reduktionsziele zu beschließen, im Kleingedruckten der Verträge jedoch zu viele "Schlupflöcher" offen zu lassen.

Immer mehr Konzerne verlagerten ihre Reduktionen ins nichteuropäische Ausland, nutzten Gutschriften für nicht abgeholzte Wälder oder verwendeten unrechtmäßig Emissionsrechte. Europäische Verhandlungskreise sehen das ähnlich. "Wir werden hier eine Vereinbarung unterschreiben", sagte ein hoher EU-Diplomat. "Die Frage ist nur, wie viel Substanz sie enthält".

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