Klimagipfel Kopenhagen:"Ohne Lösung gibt es Gewalt"

Greenpeace-Chef Kumi Naidoo fürchtet, die Proteste könnten außer Kontrolle geraten, wenn der Klimagipfel scheitert. Demonstranten haben angekündigt, zu Tausenden das Tagungszentrum in Kopenhagen zu stürmen.

M. Bauchmüller und M. Kotynek

Seit einem Monat ist der südafrikanische Menschenrechtler Kumi Naidoo der neue Chef der weltweit agierenden Umweltschutzorganisation Greenpeace International, und schon steht er an der Spitze einer globalen Protestbewegung. Aufsehen hat Naidoo auch schon erregt - als er vorschlug, auch mit Hungerstreiks für den Klimaschutz zu protestieren.

Klimagipfel Kopenhagen: Greenpeace-Chef Kumi Naidoo will Proteste organisieren, wenn die Klima-Verhandlungen in Kopenhagen nicht so laufen, wie seine Organisation es für richtig hält.

Greenpeace-Chef Kumi Naidoo will Proteste organisieren, wenn die Klima-Verhandlungen in Kopenhagen nicht so laufen, wie seine Organisation es für richtig hält.

(Foto: Foto: AFP)

SZ: Herr Naidoo, wir haben Sie eben im Restaurant gesehen. Hat der Hungerstreik noch nicht angefangen?

Kumi Naidoo: Nein. Ich habe Anfang des Jahres einen Hungerstreik gemacht, um auf meine eigene Regierung Druck auszuüben. Da ging es um die Politik gegenüber Simbabwe. Aber ja, wir haben auch bei Greenpeace darüber diskutiert.

SZ: Wann könnte denn so ein Druckmittel nötig werden?

Naidoo: Wenn die Politiker kein faires, ambitioniertes und verbindliches Abkommen aushandeln. Das würden wir uns nicht gefallen lassen. Aber schauen Sie sich an, wie viele Staatschefs jetzt hier in Kopenhagen sind. Das hängt auch mit Umweltgruppen zusammen. Wir sind in der Lage, die Agenda zu ändern.

SZ: Was wollen Sie denn auf der Agenda von Angela Merkel ändern?

Naidoo: Im Jahr 1997 war sie als Umweltministerin die Klima-Vorkämpferin. An diese Zeit sollte sie wieder anknüpfen. Als Klima-Vorkämpferin ist sie derzeit im Urlaub. Und wir hoffen, dass sie am Freitag hier aus diesem Urlaub zurückkehrt. Dann sollte sie sich dafür einsetzen, dass die CO2-Emissionen um 40 Prozent reduziert werden und dass mehr Geld für den Klimaschutz ausgegeben wird. Für die Hypo Real Estate war ja auch Geld da.

SZ: Und wenn es keine solche Einigung gibt, dann rufen Sie zu schärferen Protesten wie Hungerstreiks auf?

Naidoo: Das ist ja nur eine Form des Protestes. In der Vergangenheit, zum Beispiel in der Anti-Apartheid-Bewegung oder bei Mahatma Gandhi war es so: Wenn anständige Leute nach vorne treten und sagen, genug ist genug, dann passiert etwas. Meine Sorge ist: Wenn es jetzt keine Lösung in der Klimafrage gibt, dann wird es Reaktionen von jungen Leuten geben, die gewaltig und auch gewalttätig sein werden. Zu viele Menschen werden von den öffentlichen Debatten ausgeschlossen. Das hat Konsequenzen, auch für Greenpeace. Wenn wir den Leuten nicht ein Menü anbieten aus friedlichen Formen des Widerstandes, dann werden sie sich anderen Formen zuwenden. Dann wird der Frust zunehmen, das Gefühl, von den Regierungen betrogen zu werden.

SZ: An diesem Mittwoch wollen Demonstranten das Konferenzzentrum der Klimaverhandlungen stürmen.

Naidoo: Es liegt nicht an mir, diese Aktion zu bewerten. Aber ich denke, dass die Führer hier wahrnehmen müssen, dass da draußen eine sehr, sehr starke Angst unter den jungen Leuten umgeht.

SZ: Angst wovor?

Naidoo: Die Jugend versteht nicht, wie die reichen Staaten die verletzlichsten misshandeln. Sie finden es befremdlich, dass wir Milliarden für Kriege und Banken ausgeben können, aber nicht für Klimaschutz. Und ich glaube, die Staats- und Regierungschefs verstehen noch nicht den Grad der Verunsicherung und der Angst. Friedlicher Widerstand ist unser Recht, uns bei ihnen Gehör zu verschaffen.

SZ: Selten war eine Umweltdemo so groß wie die am Samstag hier in Kopenhagen. Wächst da eine neue Bewegung?

Naidoo: Das war einzigartig. Lange galt Umwelt als Sache der Mittelklasse. Der Erfolg der Umweltbewegung ist, das Thema in die unterschiedlichsten Teile der Gesellschaft zu verbreitern. Die Kirchen etwa haben bemerkt: Wenn wir keinen Planeten mehr haben, dann gibt es auch keinen Ort, an dem wir Glauben ausüben können. Der Klimawandel eröffnet den vielen Initiativen die Möglichkeit, all unsere Anliegen zu vereinen - das hätten wir schon längst machen sollen.

SZ: Ist die Bewegung stark genug, um Regierungschefs zu beeinflussen?

Naidoo: Wir werden stärker, haben aber unser Ziel noch nicht erreicht. Oft finden wir Dinge heraus, bevor es die Politiker hier im Verhandlungsprozess erfahren - sie fragen uns, was wir wissen. Das verschafft uns Respekt. Laufen die Verhandlungen aber in eine falsche Richtung, organisieren wir spontanen Protest. Es verstärkt unseren Einfluss auf die Gespräche, wenn wir zeigen können, dass uns draußen vor der Türe die Menschen folgen - je mehr, desto besser.

Im Video: Erneut massenhafte Proteste in Kopenhagen.

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