Klimagipfel Kopenhagen:"Hört auf die Inseln!"

Offene Konfrontation beim Klimagipfel: Entwicklungsländer greifen Industriestaaten an - und streiten untereinander. Die Inselstaaten stehen auf verlorenem Posten.

Beim Kopenhagener Klimagipfel ist der erwartete Konflikt zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern offen ausgebrochen. Aber auch die Entwicklungsländer untereinander zeigen sich alles andere als einig.

Klimagipfel Kopenhagen: Auch für die Malediven könnte der Klimawandel verheerende Folgen haben.

Auch für die Malediven könnte der Klimawandel verheerende Folgen haben.

(Foto: Foto: ddp)

Entwicklungs- und Schwellenländer unter der Führung Chinas warfen den USA und der EU vor, bei der Klimapolitik wieder alte kolonialistische Ziele zu verfolgen.

Die EU hielt dagegen und warf China vor, es verhindere in Kopenhagen die Diskussion zentraler Klimaprobleme. Der schwedische EU-Chefunterhändler Anders Turesson sagte, man sei "enttäuscht, dass es hier nicht erlaubt ist, über zentrale Fragen wie globale geltende Verpflichtungen auf weniger CO2-Emissionen zu diskutieren". Konkret benannte er die Weigerung Chinas mit den USA und der EU über entsprechende Verpflichtungen auch für Entwicklungsländer zu diskutieren.

Der sudanesische Sprecher der in der Gruppe G77 zusammengeschlossenen 130 Entwicklungs- und Schwellenländer, Lumumba Stanislaus Di-Aping, kritisierte einen in Kopenhagen kursierenden Entwurf der dänischen Gastgeber für die Schlussvereinbarung als einseitige Parteinahme für die reichen Länder.

Di-Aping bemängelte, dass die Dänen auf ein neues Klimaabkommen statt der Fortschreibung des bisherigen Kyoto-Abkommens setzen wollten. Damit würden auch den Entwicklungsländern Verpflichtungen bei den Treibhausgas-Emissionen auferlegt.

Im Mittelpunkt des Streits: die Kosten für den Klimaschutz. Der Block der 135 Entwicklungsländer wies das aktuelle Angebot auf der Kopenhagener Konferenz als völlig unzureichend zurück. Die zehn Milliarden Dollar Anschubfinanzierung, die im aktuellen Entwurf für die Gipfelerklärung stehen, reichten nicht aus, "um genug Särge für die Menschen in den Entwicklungsländern zu kaufen", sagte Di-Aping.

Doch nicht nur ein Konflikt zwischen Industrie- und Schwellenländern, sondern auch zwischen den Entwicklungsländern belastet die Verhandlungen. Der kleine Pazifikstaat Tuvalu scheiterte mit einem Antrag, die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Die Industriestaaten haben sich auf einen Anstieg von zwei Grad Celsius verständigt, bezogen auf die Messwerte vor der Industrialisierung.

"Das ist eine Sache des Überlebens", sagte der Delegierte von Tuvalu, Ian Fry, im Namen anderer Inselgruppen, die bei einer weiteren globalen Erwärmung von Überflutung bedroht sind. "Wir haben keine Zeit mehr für eine weitere Verschleppung", sagte Fry.

Der Antrag von Tuvalu wurde unter anderem von der Antilleninsel Grenada und den Salomonen unterstützt. Das ölreiche Saudi-Arabien stellte sich jedoch entschieden dagegen, ebenso die aufstrebenden Wirtschaftsmächte China und Indien. Die Delegationen aus den reichen Industriestaaten meldeten sich nicht zu Wort.

Die dänische Konferenzleiterin Connie Hedegaard sagte daraufhin, ihre Entscheidung zum Antrag von Tuvalu sei "sehr schwer und zugleich sehr einfach". Da eine Annahme die Zustimmung aller Konferenzteilnehmer erfordert hätte, lehnte Hedegaard es ab, den Antrag zur weiteren Behandlung an eine "Kontaktgruppe" weiterzuleiten.

Daraufhin drängten mehrere hundert junge Klimaschutzaktivisten aus aller Welt in die Eingangshalle des Konferenzgebäudes und riefen in Sprechchören "Tuvalu" und "Hört auf die Inseln!" Auch die Umweltorganisation Greenpeace protestierte gegen die Ablehnung des Antrags von Tuvalu.

In den kommenden zwei Tagen richtet sich daher das Augenmerk auch verstärkt auf den Brüsseler EU-Gipfel. Dort wollen die EU-Staats-und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag ihre Strategie für den Klimagipfel abstecken. In Berliner Regierungskreisen hieß es aber bereits, dort werde man voraussichtlich keine neuen Vereinbarungen für den Klimagipfel fassen, diese würden am 17. und 18. Dezember vor Ort fallen.

Nach dem Willen der schwedischen Ratspräsidentschaft soll sich die EU aber bis Freitag auf eine konkrete Summe für den Fonds für Entwicklungshilfe einigen. Mit dem Geld will die Europäische Union ärmeren Ländern beim Einstieg in Klimaschutzprojekte helfen.

In Stockholm kündigte unterdessen der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt nach einem Bericht des Rundfunks an, seine Regierung werde acht Milliarden Kronen (765 Millionen Euro) zu dem Fonds beisteuern.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) forderte vor seiner Abreise zum Klimagipfel strenge Regeln für Klimaschutz-Beschlüsse. Die Staaten müssten sich in Kopenhagen auch über mögliche Sanktionen verständigen, sagte Röttgen der taz. Die Opposition im Bundestag forderte von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der EU ehrgeizigere Klimaschutz-Ziele. SPD, Linksfraktion und Grüne verlangten gemeinsam, dass die Bundesregierung "von der Bremse steigen" soll.

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