Klimagipfel Kopenhagen:EU ringt um Hilfen für Entwicklungsländer

Die Europäische Union macht auf einem Gipfel in Brüssel klar, dass sie ihre Klimaschutz-Ziele nur nachbessern werde, wenn andere Länder mitziehen.

Oliver Bilger, Brüssel

Die letzten Meter musste Gordon Brown zu Fuß gehen. Greenpeace-Aktivisten versperrten dem britischen Premier den direkten Weg zum EU-Gipfel. Bei der Vorfahrt in Brüssel war es einem knappen Dutzend Demonstranten am Donnerstagabend gelungen, sich in den polizeibewachten Autokonvoi der Regierungschefs zu mogeln. Mit einem Kleinbus und weiteren Autos, die denen der offiziellen Delegationen ähnelten, schafften es die Aktivisten bis vor die Eingangstür, wo Kamerateams auf die Staatschefs warteten. Dort entfalteten sie drei Fahnen mit der Forderung: "EU: save Copenhagen" - EU: Rette Kopenhagen.

Klimagipfel Kopenhagen: Ein Greenpeace Aktivist fordert die EU zum Handeln auf. Einige Demonstranten konnten sich durch die strengen Sicherheitsschranken mogeln.

Ein Greenpeace Aktivist fordert die EU zum Handeln auf. Einige Demonstranten konnten sich durch die strengen Sicherheitsschranken mogeln.

(Foto: Foto: AP)

Die Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsstaaten kamen am Abend zusammen, um über eine gemeinsame Strategie für die Schlussphase des Klimagipfels in Kopenhagen zu beraten. Die Umweltschützer nutzen dieses Treffen für ihren Appell an die Mächtigen in Europa. Die Aktivisten riefen: "Wacht auf, wacht auf!" Dann griffen die zunächst völlig überraschten Sicherheitsmänner ein und drängten die Demonstranten beiseite.

Ausgerechnet Brown

Premier Brown, der in einer Limousine im Konvoi einige Meter hinter den Umweltschützern saß, lief daraufhin die letzten Meter zum Eingang. Dass die Greenpeace-Leute dem Premier von der Insel den Weg versperrten, dürfte ein Zufall gewesen sein. Ausgerechnet Brown - hatte sich der Brite doch im Vorfeld für ein besonders ambitioniertes Klimaziel der Europäischen Union eingesetzt. Gemeinsam mit einigen anderen Mitgliedsstaaten hatte er sich ausdrücklich für eine Reduktion des schädlichen Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes um 30 Prozent bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 ausgesprochen, um die Verhandlungen in Kopenhagen voranzutreiben.

"Es reicht nicht, wenn man erklärt: 'Ich kann das tun, ich könnte das tun, vielleicht tue ich das'", sagte der Premier der englischen Zeitung Guardian vorab. Die EU-Mitglieder hatten vor dem Brüsseler Gipfel die Reduzierung um 20 Prozent beschlossen.

Europa will eine Vorreiterrolle bei den Kopenhagener Klimaverhandlungen einnehmen und sich für ein klares und verbindliches Abkommen des Kyoto-Protokolls einsetzen.

Im Video: Nichtregierungsorganisationen haben beim Klimagipfel in Kopenhagen die deutsche Delegation am Donnerstag mit dem Negativpreis "Fossil of the Day" bedacht.

Weitere Videos finden Sie hier

In der Nacht einigten sich die Regierungschefs darauf, dass sich Europa in Kopenhagen auf eine Senkung der Treibhausgase um 30 Prozent verpflichten werde - sofern andere Länder vergleichbare Angebote machen. "Wir wollen weiter Führung zeigen", erklärte der schwedische Ministerpräsident und gegenwärtige EU-Vorsitzende Fredrik Reinfeldt.

Keine Einigung auf Soforthilfen

Keine Einigung erzielten die Regierungschefs jedoch zunächst bei der Festlegung auf Soforthilfen für Entwicklungsländer. Deutschland, Frankreich und Italien waren angeblich noch nicht bereit, einen genauen Betrag zu nennen. Insgesamt geht es um fünf bis sieben Milliarden Euro. Reinfeldt zeigte sich aber zuversichtlich, dass es an diesem Freitagmorgen ein konkretes Angebot geben werde. Über langfristige Hilfen wollen die EU-Staaten erst in der kommenden Woche, am Rande des Klimagipfels, entscheiden.

Die Regierungschefs beschlossen nach mehrstündigen Verhandlungen außerdem eine neue europäische Finanzaufsicht. Drohende Finanzkrisen sollen in Zukunft über ein Frühwarnsystem rechtzeitig erkannt werden. Drei Agenturen sollen Banken, Versicherungen und Börsenhändler überwachen.

Sorgenkind Griechenland

Beraten wurde auch darüber, wie die griechischen Staatsschulden wieder in Ordnung gebracht werden können. Das Euro-Land steht vor einem finanziellen Kollaps. Die schwedische Ratspräsidentschaft schloss finanzielle Hilfen der EU vor dem Gipfel aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich besorgt über die Entwicklung: "Wir werden darüber sprechen, wie wir den Euro stabil halten."

Der griechische Ministerpräsident George Papandreou versicherte seinen Kollegen, dass die Lösung des Problems für ihn absolute Priorität habe und er entsprechende Maßnahmen ergreifen werde.

Im weiteren Verlauf des Treffens wollen die Teilnehmer am Freitag das sogenannte Stockholmer Programm verabschieden. Darin geht es um eine bessere Kooperation von Polizei und Justiz, den Schutz der Grundrechte und eine gemeinsame Asylpolitik.

Auf der Tagesordnung stehen darüber hinaus institutionelle Fragen nach Inkrafttreten des neuen Lissabon-Vertrags zum 1. Dezember. Künftig werden die Gipfel vom ständigen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy geleitet. Statt der 27 Außenminister nimmt die neue EU-Außenministerin Catherine Ashton an den Treffen der Staats- und Regierungschefs teil.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: