Klimagipfel Kopenhagen:Die Hoffnung stirbt zuletzt

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Schaut man nur auf das Ergebnis, stimmt die Klimakonferenz in Kopenhagen deprimierend. Doch die Dynamik des Gipfeltreffens könnte den Folgekonferenzen im nächsten Jahr einen wichtigen Anstoß für die künftige Klimapolitik geben.

Wolfgang Roth

Die Bedeutung des bisher größten Klima-Ballyhoos nur am nackten Ergebnis zu messen, führt zu den üblichen, deprimierenden Erkenntnissen.

Hope-nhagen oder Flop-enhagen? Den Anstoß für wirkliche Veränderungen bringen hoffentlich die Folgekonferenzen im nächsten Jahr. (Foto: Foto: ddp)

Die Staaten der Welt wollen zwar verhindern, dass sich die Erde um mehr als zwei Grad aufheizt, aber mehr als eine Absichtserklärung ist das vorderhand nicht, solange keinem Land konkrete, strafbewehrte Marken zur Minderung der Treibhausgase gesteckt sind. Und das Zeitfenster wird immer kleiner, weil die Wende - im Wesentlichen eine Energiewende - noch im nächsten Jahrzehnt geschafft werden muss.

Andernfalls ist selbst dieses Minimalziel unmöglich zu schaffen, andernfalls stünden die klassischen Industrienationen und die Schwellenländer danach vor so brutalen Umbrüchen, dass ihre politische Stabilität erschüttert wird. Von den direkten, massiven Folgen der Erderwärmung rund um den Globus ganz zu schweigen.

Neue Dynamik aus dem Ballyhoo von Kopenhagen

Andererseits ist die Hoffnung nicht ganz unberechtigt, dass aus dem Ballyhoo von Kopenhagen trotz des mageren Ergebnisses neue Dynamik für den langwierigen Prozess der internationalen Klimapolitik erwächst. Die Bevölkerung in den mächtigsten Staaten der Erde hat ihre Regierungschefs in der dänischen Hauptstadt aufmarschieren sehen, hat fast überall das anschwellende Medienecho vernommen und wurde wieder ein Stück dafür sensibiliert, dass der Klimawandel neben der Bekämpfung von Armut und Krieg das globale Problem der Zukunft sein wird.

Hoffnung besteht, Illusionen sollte sich aber niemand machen über die Möglichkeit, Staaten mit so großem Wohlstandsgefälle, mit sehr unterschiedlichen Wirtschaftsinteressen und Machtansprüchen in einen für alle gültigen Rahmen einzubinden.

Bei den mühseligen Verhandlungen zur internationalen Rüstungskontrolle ging und geht es um viel, aber der Klimawandel fordert einer stetig wachsenden Weltbevölkerung noch viel mehr Verzicht auf nationale Souveränität ab. Sie müssen einen bisher nie betretenen Wachstumspfad beschreiten, der Wohlstand sichert, ohne die Erde weiter in Wallung zu bringen.

Für ein Umsteuern war es in Kopenhagen zwar höchste Zeit, aber die Konferenz kam, was die weltpolitischen Prämissen angeht, trotzdem zur Unzeit. Die in der Europäischen Union vereinigten Länder tun gut daran, ihre Klimaschutzziele beizubehalten, erneuerbare Energiequellen zu fördern und effizientere Technik auszubauen. Um aber nach 2012, nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls, wesentliche Fortschritte zu erreichen, müssen unabdingbar China und die USA eingebunden werden.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Die beiden größten Klimasünder blockierten sich lange mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Für das Regime in China kam bis kurz vor Schluss jeder internationale Kontrollmechanismus einem kolonialistischen Übergriff gleich. Der amerikanische Präsident hat ein ganz anderes Problem, er kann im Klimaschutz daheim nicht auf eine parlamentarische Mehrheit vertrauen.

Barack Obama fand in Kopenhagen aufrüttelnde Worte für die Delegierten aus aller Welt und wirkte trotzdem wie einer, der die Lippen spitzt, aber nicht pfeifen darf; schließlich zweifeln erhebliche Teile der politischen Elite in seiner Heimat immer noch daran, dass menschliches Wirken überhaupt einen Einfluss auf das Klima hat.

Weit ist der Weg hin zu einem globalen System, in dem das Treibhausgas Kohlendioxid für alle einen Preis hat. Dies mag utopisch klingen, ist aber das logische Ziel in einem Prozess, der 1992 in Rio mit unverbindlichen Erklärungen zur Rettung des Klimas begann, 1997 erstmals in zaghafte Verpflichtungen mündete und nun neuer Schubkraft bedarf. Solange es kein weltumspannendes Modell zum Lizenzhandel mit Treibhausgasen gibt, werden immer Staaten existieren, die sich einen kurzfristigen ökonomischen Vorteil verschaffen, indem sie die Atmosphäre als Abfalldeponie nutzen.

Und noch etwas klingt utopisch, liegt aber in der Logik einer globalen Politik, die nicht vorankommen kann, wenn sie den einen auf Dauer versagt, was die anderen schon lange und selbstverständlich in Anspruch nehmen: Ein derartiges Handelssystem muss, wenn es von allen anerkannt werden soll, jedem Menschen dasselbe Recht zugestehen. Politischer Ausgleich ist nicht möglich auf der Basis, dass ein Deutscher zehnmal mehr das Klima schädigen darf als ein Inder.

Diese Form der Gerechtigkeit aber wird der Bevölkerung in den Wohlstandsgesellschaften viel mehr abverlangen als die Finanzierung jener Hilfsgelder in Höhe von 30 Milliarden Dollar, die in Kopenhagen zur Unterstützung der ärmsten, von der Erderwärmung am stärksten bedrohten Länder für die nächsten drei Jahre in Aussicht gestellt wurden.

Wenn es konkret wird in Klimaverhandlungen, dann ist der Zeithorizont oft schier unermesslich, die Konferenz in Kopenhagen machte da keine Ausnahme. Es kostet nichts, wenn sich die Industriestaaten auf eine gewaltige Minderung der Treibhausgase bis zum Jahr 2050 verständigen. Vierzig Jahre sind für kurzfristig gewählte Regierungen eine lange, ferne Zeit - soll es eben das nächste oder übernächste Kabinett anpacken und sich bei seiner Bevölkerung unbeliebt machen.

Fortschritt beginnt immer mit einem Schritt. Den Anstoß können nur die Folgekonferenzen im nächsten Jahr geben. Hoffentlich.

© SZ vom 19./20.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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