Süddeutsche Zeitung

Klimagipfel in New York:Er will nun endlich Taten sehen

  • Auf dem Klimagipfel der UN sind nur Länder erwünscht, die in puncto Klimaschutz handeln.
  • UN-Generalsekretär António Guterres versucht mit diesem Rigorismus auch, den Multilateralismus in Form des Pariser Klimaabkommens zu retten.
  • Mit dem in Deutschland viel kritisierten Klimapaket wird Merkel international trotzdem punkten können.

Von Michael Bauchmüller

Japan, Australien, Südafrika - sie müssen schweigen an diesem Montag. UN-Generalsekretär António Guterres will nichts von ihnen hören. Auf seinem Sondergipfel zum Klima sollen keine Staaten die Bühne bekommen, die im großen Stil in fossile Energie wie Kohle investieren. Es soll eine Veranstaltung der Handelnden werden. "Ich habe den Staatschefs gesagt, dass sie nicht mit hübschen Reden kommen sollen", sagt Guterres, "sondern mit konkreten Zusagen." Auch Saudi-Arabien, die USA und Brasilien sind unerwünscht im Rampenlicht des Klimaschutzes. Allerdings wollten Leute wie Donald Trump und Jair Bolsonaro ohnehin nicht auftreten.

Solcher Rigorismus ist ungewöhnlich im Kreis der Vereinten Nationen, doch für den Generalsekretär geht es um mehr als nur das Klima. Es geht um die Rettung des Multilateralismus. Das Klimaabkommen von Paris ist der jüngste und derzeit noch lebendigste Beweis dafür, dass Staaten sich gemeinsam einer Aufgabe stellen, die sie nur gemeinsam bewältigen können. Doch das Abkommen ist in Gefahr, auch durch den angekündigten Rückzug der USA. "Wir haben so eine Art stabile Seitenlage", sagt Susanne Dröge, die sich an der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) mit Klimapolitik beschäftigt. "Man muss diese Seitenlage nun absichern, bevor es kippt." Auch dazu brauche Guterres die Bekenntnisse der Willigen, und die möglichst deutlich. "Das Abkommen muss funktionieren, darum geht es."

Deshalb soll das Treffen an diesem Montag auch die erste wichtige Bewährungsprobe vorbereiten. Im kommenden Jahr steht die erste große Überprüfung der nationalen Klimaziele an. Nach dem Mechanismus des Pariser Abkommens müssten spätestens dann alle Staaten, deren Zusagen absehbar nicht ausreichen, nachlegen. Und derzeit liegt so gut wie kein Land im Plan.

Die Zusagen des Paris-Abkommens sind zu schwach

Schlimmer noch: Selbst die zu schwachen Zusagen aus dem Paris-Abkommen liegen in vielen Ländern außer Reichweite. Die UN-Umweltorganisation Unep legte jetzt neue Zahlen zur Industrie- und Schwellenländergruppe G 20 vor. Sie steht für rund 80 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Nur jeder zweite Staat ist auf dem Weg, seine Zusagen aus Paris einzuhalten. Selbst diese Zusagen seien weit davon entfernt, die Erderwärmung bei 1,5 oder zwei Grad Celsius zu stabilisieren, warnt Unep. Die Welt sei auf einem Pfad, der über drei Grad Celsius hinausführe. "Einen Klimawandel, der den Planeten verändert, können wir nur mit einem vollen Bekenntnis der G-20-Staaten zu einer klimaneutralen Zukunft verhindern", sagt Unep-Chefin Inger Andersen. Die Staaten müssten ihre Anstrengungen mindestens verdreifachen. Seit ein Bericht des Weltklimarats IPCC nahegelegt hat, besser eine 1,5-Grad-Marke anzupeilen, sind die Ziele noch mehr außer Reichweite.

Es braucht eine Aufbruchsstimmung im globalen Klimaschutz, eine Gegenbewegung zu Trump und Bolsonaro. Die soll der Gipfel in New York erzeugen, unterfüttert vom Protest der Hunderttausenden am vergangenen Freitag und einem UN-Jugendgipfel zum Klimaschutz am Samstag. Es seien sicher nicht alle Probleme nach dem Treffen am Montag gelöst, sagt Guterres. "Aber ich bin überzeugt, dass wir aus diesem Gipfel mit einem beschleunigten Momentum herauskommen."

International kann Merkel mit dem Klimapaket punkten

Dabei könnten auch Finanzierungszusagen helfen. Die Staatengemeinschaft will von 2020 an jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimahilfen bereitstellen, der sogenannte Green Climate Fund sollte über die Jahre anwachsen. "Das ist eine der großen Vertrauensfragen zwischen den Entwicklungs- und Industrieländern", sagt Jan Kowalzig, ein Experte für Klima und Finanzen der Nichtregierungsorganisation Oxfam. Diverse Länder, darunter auch Deutschland, hatten schon eine Aufstockung ihrer Mittel angekündigt. Nun müssten in New York andere folgen, denn noch sind die 100 Milliarden Dollar fern, das Jahr 2020 aber ist nah. "Das Ziel nächstes Jahr zu verpassen, wäre ein klimapolitischer GAU", sagt Kowalzig. Vor allem Entwicklungsländer pochten auf Hilfen von außen, ehe sie ihre Klimaziele 2020 aufstocken. Ohne die Aufstockung der Mittel könnte das Pariser Abkommen auch von dieser Seite unter Druck geraten.

Der Gefahr, beim Guterres-Gipfel mit leeren Händen dazustehen, ist Angela Merkel knapp entronnen. Wenn sie diesen Montag in New York ans Rednerpult tritt, kann sie von der Einigung auf ein "Klimapaket" berichten. Es enthält einiges von dem, was Guterres gefordert hatte. Ein Bekenntnis zur Klimaneutralität bis 2050, einen - wenn auch sehr niedrigen - Preis auf CO₂-Emissionen, und den Versuch, etwas gegen die Lücke zu tun, die sich absehbar auch in Deutschland zwischen Soll und Haben auftut. "Klimapolitisch ist dieses Paket eine herbe Enttäuschung", sagt SWP-Forscherin Dröge. "Es hat selbst gedämpfte Erwartungen noch unterboten."

Auf der internationalen Ebene aber, bei den Vereinten Nationen in New York, werde das Paket seine Wirkung nicht verfehlen. "Viele Staaten werden erleichtert zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland zurück ist auf der Bühne", sagt Dröge. Um das zu unterstreichen, kündigte die Bundesregierung am Sonntag an, Deutschland werde der Allianz der Kohleausstiegsländer beitreten.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir die Unep-Chefin Inger Andresen fälschlicherweise als "Chef" bezeichnet. Inger ist jedoch ein skandinavischer Frauenname.

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SZ vom 23.09.2019/cku/cat
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