Klimagipfel in Glasgow:Kampf den Kettensägen

Klimagipfel in Glasgow: In Brasilien sind große Teile des Regenwaldes in Weideland verwandelt worden. Mehr als hundert Länder wollen ein Ende der Entwaldung.

In Brasilien sind große Teile des Regenwaldes in Weideland verwandelt worden. Mehr als hundert Länder wollen ein Ende der Entwaldung.

(Foto: Miguel Schincariol/AFP)

Mit einer milliardenschweren Vereinbarung wollen mehr als hundert Staaten bis 2030 den Verlust von Wäldern stoppen. Ob es diesmal klappt? Es ist nicht der erste Anlauf.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, und Arne Perras

Auch ein Jair Bolsonaro will nicht immer nur der Bösewicht sein. Am Montag, als sich Staats- und Regierungschefs aus aller Welt in Glasgow zum Klimaschutz bekannten, wandelte Bolsonaro noch auf den Spuren seiner Vorfahren in Norditalien. Lieber ließ er sich in deren Heimatdorf zum Ehrenbürger ernennen, als in Glasgow der Erderhitzung den Kampf anzusagen.

Das sieht am Dienstag schon anders aus. "Brasilien ist Teil der Lösung, um diese globale Herausforderung zu bewältigen", lässt Bolsonaro wissen. Zuvor hatte sein Land einen Plan vorgelegt, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Dank einiger Rechentricks muss Brasilien dafür in näherer Zukunft keine Emissionen einsparen. Aber auch gegen illegalen Holzeinschlag will das waldreichste Land mehr tun - bis 2028 soll damit Schluss sein, zwei Jahre früher als bisher geplant. Und das passt zumindest zur ersten Erfolgsmeldung, die der Gipfel von Glasgow produziert: eine Erklärung von Staats- und Regierungschefs zum Schutz der Wälder. Eine einzigartige Abmachung sei das, schwärmt Großbritanniens Premier Boris Johnson. Die Menschheit könne vom Ausbeuter zum Beschützer der Wälder werden.

Bis 2030, so sieht es die Vereinbarung vor, soll die Entwaldung gestoppt und ins Gegenteil verkehrt werden. Das Ziel ist nicht ganz neu. Schon 2014, bei der Klimakonferenz in Peru, hatten sich 14 waldreiche Länder zur "Lima Challenge" verabredet. Bis 2020 wollten sie die Verluste an Wald halbieren, bis 2030 stoppen. Unterstützt wurden sie damals von Deutschland, Norwegen und dem Vereinigten Königreich. Mit mehr Unterstützung, so stand es schon in der Vereinbarung damals, lasse sich auch mehr Wald beschützen. Doch viel geschah nicht.

Anders als seinerzeit machen aber nun auch große Länder wie Brasilien, Russland und Indonesien mit - die Erklärung umfasst 85 Prozent der globalen Waldfläche, insgesamt 34 Millionen Quadratkilometer. Eine Fläche, die zweimal so groß ist wie Russland. "Nie zuvor haben so viele Staats- und Regierungschefs, aus allen Weltgegenden, mit allen Arten von Wäldern, ihre Kräfte gebündelt", sagt Kolumbiens Präsident Iván Duque.

"Die Erklärung zu unterschreiben, ist der leichte Teil"

Mehr als hundert Länder stehen hinter der Vereinbarung, darunter Deutschland, die EU, die USA und China. Aus zwölf Staaten sollen in den nächsten fünf Jahren insgesamt zehn Milliarden Euro fließen, weitere 6,2 Milliarden Euro soll das an privaten Investitionen auslösen. Auch 30 Fonds und Versicherer haben sich angeschlossen, sie wollen sich aus Geschäften auf Kosten der Wälder zurückziehen.

Der Schutz der Waldgebiete ist seit Jahren ein heikles Thema auf Klimakonferenzen. Für das Klima ist deren Erhalt extrem wichtig, doch für waldreiche Länder bedeutet das den Verzicht auf Einnahmen - vor allem aus der Nutzung der Flächen für die Landwirtschaft. Sie verlangen einen finanziellen Ausgleich. Hinzu kommt der schwer kontrollierbare illegale Holzeinschlag.

"Die Ankündigung zeigt in die richtige Richtung", sagt Susanne Winter, Waldexpertin bei der Umweltstiftung WWF. Allerdings müsse sie rasch mit verbindlichen Abkommen abgesichert werden. "Gelingt das nicht, droht die Initiative zu scheitern wie schon andere vor ihr." Auch Kiki Taufik, Waldexperte von Greenpeace in Indonesien, will jetzt erst mal Taten sehen. "Wenn Indonesien es wirklich ernst meint mit dem Stopp der Entwaldung", sagt er, "dann müsste Jakarta erst mal ein Gesetz wieder abschaffen, mit dem die Regierung der Industrie gerade den roten Teppich ausgerollt hat." Die neuen Regelungen fördern Investitionen, die nach Ansicht der Umweltschützer den Regenwäldern weiterhin sehr schaden werden. So setze Indonesien weiter stark auf Biotreibstoff aus Palmöl, klagt Taufik. "Das wird den Bedarf an Land für Plantagen weiter steigern - auf Kosten des Waldes."

Und selbst UN-Generalsekretär Antonío Guterres freut sich nur verhalten. "Die Erklärung zu unterschreiben, ist der leichte Teil", twitterte er. "Wesentlich ist, dass sie umgesetzt wird."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: