Klima-Kompromiss auf EU-Gipfel:Europa will ein bisschen umweltfreundlicher werden

  • Die EU-Staaten vereinbaren in Brüssel Klimaziele für 2030. Die Treibhausgasemissionen sollen um 40 Prozent verringert werden.
  • Der Anteil erneuerbarer Energien soll auf 27 Prozent steigen. Die EU-Staaten sollen bis 2030 zudem 27 Prozent Energie einsparen.
  • Umweltschützer sind von den Ergebnissen enttäuscht, sie hatten deutlich höhere Einsparungen gefordert.

Einigung in Brüssel

Europa übernimmt die internationale Führung beim Klimaschutz. Der EU-Gipfel in Brüssel einigte sich nach einem zähen Ringen auf ein umfassendes Klima- und Energiepaket mit Zielen bis 2030. "Es war nicht einfach, überhaupt nicht - aber wir haben es geschafft, zu einer fairen Entscheidung zu kommen", sagte der scheidende Gipfelchef Herman Van Rompuy nach fast neunstündigen Beratungen. Eine europäische Klima-Einigung gilt als Voraussetzung für einen Erfolg des Weltklimagipfels Ende 2015 in Paris.

"Das ist eine gute Vereinbarung, und wie jede gute Vereinbarung ist es ein Kompromiss", betonte der französische Staatspräsident François Hollande. "Deutschland und Frankreich haben ihre Rolle gespielt." Hollande und Merkel hatten zusammen in kleinen Runden über Stunden für den Gipfel-Kompromiss gekämpft.

40 Prozent weniger Treibhausgase

Der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) soll im Vergleich zu 1990 verbindlich um mindestens 40 Prozent sinken. Das liegt in dem erwarteten Rahmen - Umweltschützer hatten jedoch 50 Prozent gefordert, weil etwa 35 Prozent ohne große Anstrengungen erreicht werden könne.

Neben dem Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken, einigten sich die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Staaten darauf, den Anteil der erneuerbaren Energiequellen wie Sonne, Wind und Wasserkraft bis 2030 auf mindestens 27 Prozent zu steigern. Außerdem will die EU Einsparungen im Verbrauch um ebenfalls mindestens 27 Prozent erreichen; dieses Ziel ist aber nicht verbindlich. Auf Druck Großbritanniens und Polens schwächte der Gipfel die bisher geplante Zielmarke von 30 Prozent noch ab.

Widerstand gegen ehrgeizige Ziele

Vor allem Polen trat bei den Marathon-Verhandlungen auf die Bremse. Polen hatte eine Gruppe osteuropäischer Staaten angeführt, die bei der Energieerzeugung noch massiv auf Kohle setzen, und Unterstützung für den Umbau ihrer Energiesysteme forderten.

Für ärmere Länder mit einer Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung unter 60 Prozent des EU-Durchschnitts soll es nun im Rahmen des europäischen Emissionshandels einen neuen Hilfstopf geben. Damit sollen veraltete Energieanlagen modernisiert werden.

Enttäuschung bei Umweltschützern

Während die Gipfelteilnehmer den Beschluss lobten, kritisierten Umweltschützer die Ziele als unzureichend. "Kürzungen von 40 Prozent bei den Emissionen als angemessen oder ambitioniert zu bezeichnen, wie es die EU-Staats- und Regierungschefs tun, ist auf gefährliche Weise unverantwortlich", sagte Brook Riley von der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth Europe. Die beschlossenen Ziele lägen weit unter dem, "was notwendig ist und was von Europa getan werden könnte, um den Klimawandel zu bekämpfen", kritisierte die Organisation.

Beratungen über Wirtschaftsentwicklungen

Zum Abschluss des Gipfels werden die EU-"Chefs" an diesem Freitagvormittag über die Wirtschaft sprechen. Mit konkreten Entscheidungen wird nicht gerechnet, da das angekündigte Investitionspaket von 300 Milliarden Euro der neuen EU-Kommission noch nicht ausformuliert ist. Bei einem Mittagessen treffen sich zudem Vertreter der 18 Euro-Länder sowie Litauens, das die Gemeinschaftswährung im kommenden Jahr bekommt. In der EU gibt es derzeit Streit um die nationalen Budgets mehrerer großer Euro-Länder. Nach der Kontrolle der Haushalte für 2015 verschickte die EU-Kommission Mahnschreiben an Italien, Frankreich und Österreich.

Die Klima-Beschlüsse im Detail

Die Beschlüsse im Einzelnen

  • Klimaschutzziele: Der Ausstoß an Treibhausgasen in der EU soll bis 2030 um mindestens 40 Prozent reduziert werden. Das Ziel ist verbindlich. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die vom Emissionshandel erfassten Wirtschaftsbereiche wie etwa die Stromerzeugung im Vergleich zu 2005 den Ausstoß um 43 Prozent senken. In den nicht vom Emissionshandel erfassten Bereichen wie Verkehr, private Haushalte oder Landwirtschaft sollen die Einsparungen 30 Prozent betragen. Hier wird die EU den nationalen Staaten - abhängig von ihrem Bruttoinlandsprodukt - jeweils Vorgaben für die Verringerung machen, die von null bis minus 40 Prozent reichen. Damit soll auf ärmere EU-Partner Rücksicht genommen werden.
  • Erneuerbare Energien: Die EU soll ihren Anteil an erneuerbaren Energien auf mindestens 27 Prozent im Jahr 2030 steigern. Dieses Ziel gilt für die EU insgesamt. Es werden keine verbindlichen nationalen Ziele festgelegt.
  • Emissionshandel: Die Zahl der Zertifikate soll ab 2021 jährlich um 2,2 statt 1,74 Prozent gekürzt werden. Künftig soll es eine neue Reserve von Verschmutzungsrechten für ärmere Länder geben, die besonders hohe Modernisierungskosten haben. Diese Emissionsrechte sollen diejenigen EU-Staaten erhalten, die unter 60 Prozent des Durchschnitts-Bruttoinlandsprodukts pro Kopf in der EU liegen. Bisher waren dies 90 Prozent. Zudem gibt es eine Reserve von künftig 400 Millionen Zertifikaten, deren Versteigerungserlöse für den Ausbau erneuerbarer Energien verwendet werden sollen.
  • Überprüfungsklauseln: Die EU behält sich vor, nach dem Abschluss der Weltklimakonferenz in Paris im Dezember 2015 die Beschlüsse neu zu bewerten. Die Ziele sollen dann aber auf keinen Fall gesenkt werden, könnten aber bei weiterreichenden Verpflichtungen außereuropäischer Staaten bei Bedarf erhöht werden.
  • Interkonnektivität: Die EU-Staaten sollen bis 2030 die Möglichkeit schaffen, Strom im Volumen von 15 Prozent ihres Verbrauchs entweder zu importieren oder zu exportieren. Die sogenannte Interkonnektivität soll dazu beitragen, einen einheitlichen EU-Strommarkt zu schaffen.
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