Klima:"Ihr verliert nicht"

Ausstoß von Kohlendioxid wird künftig Geld kosten, sagt Schleswig-Holsteins Umweltminister.

Interview von Thomas Hahn

Jan Philipp Albrecht (Grüne) neigt nicht zur zornigen Rede. Aber wenn Schleswig-Holsteins Umweltminister über die Energiewende spricht, wird klar, dass ihm in Deutschland vieles zu langsam geht.

SZ: Herr Albrecht, seit Ihrer Bundesratsinitiative im Februar für neue Preise im Energiesektor läuft eine Debatte unter dem Schlagwort CO₂-Steuer. Gut so?

Albrecht: Das Wichtigste ist, dass diese Debatte angefangen hat. Noch vor einem halben Jahr hat die Bundesregierung gesagt, über das Thema reden wir gar nicht. Mittlerweile gibt es neben der Bundesumweltministerin viele Fürsprecher in Regierungskreisen und Koalitionsfraktionen.

Die Widerstände sind nicht zu überhören.

Das halte ich für das letzte Aufbäumen. Gerade aus Wirtschaftskreisen haben wir viel Unterstützung erhalten. Kaum einer versteht, warum die Investitionen in erneuerbare Energien vom Staat wirtschaftliche benachteiligt werden dadurch, dass Strom teuer ist, während CO₂ kein Preisschild hat. Alle wissen doch, dass es ein verlorenes Geschäft ist, auf fossile Brennstoffe zu setzen. Wer das tut, ist von gestern.

Eine CO₂-Steuer weckt den Eindruck, die Grünen wollten eine Bevormundungspolitik auf Kosten von Geringverdienern.

Genau, aber der Begriff einer CO₂-Steuer ist einfach falsch. Es geht darum, die aktuelle Bemessung von Energieabgaben zu hinterfragen. Warum ist die je nach Energieträger so unterschiedlich? Vor allem: Warum so unterschiedlich hoch? Heute zahlt man sehr geringe Abgaben auf Gas, aber sehr hohe auf Strom, über den die meisten erneuerbaren Energien zur Verfügung gestellt werden. Der Staat macht damit Sonnen- oder Windenergie für den Verbraucher teurer als Energie aus der Verbrennung fossiler Stoffe. Absurd. Zumal wir Maßnahmen für Klimaschutz und Energiewende subventionieren.

Debatte über CO2-Steuer

Auch hier, auf dem Kaiserdamm im Zentrum von Berlin, werden viele Treibhausgase in die Luft geblasen.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Was genau wollen Sie ändern?

Wir brauchen niedrigere Umlagen auf Strom, die EEG-Umlage zum Beispiel muss abgesenkt werden. Und wir brauchen mehr Flexibilität, damit die Energie über den Strommarkt auch in den Wärme- und den Mobilitätsbereich reinkommt. Wir müssen die erneuerbare Energie in alle Sektoren bekommen. Wir brauchen sie im Auto, in den Heizungssystemen. Damit der günstigere Strom einerseits für die öffentlichen Haushalte, andererseits für Verbraucherinnen und Verbraucher aufkommensneutral bleibt, wollen wir diese Entlastung durch einen einheitlichen CO₂-Preis als Grundlage für die Abgaben und Umlagen im Energiebereich ausgleichen. Wer weiter auf fossile Energieträger setzt, soll etwas mehr in die Verantwortung genommen werden.

Sie belasten also doch Kleinverdiener, die nicht so schnell umsatteln können.

Niemand will, dass der Mieter, der im unsanierten Altbau lebt und mit seinem alten Benziner zur Arbeit pendelt, am Ende die Zeche für alle anderen zahlen muss. Genau dafür gibt es Lösungen: Pro-Kopf-Pauschale, Entlastungen für Geringverdiener, Anrechnungen auf die Sozialversicherungssysteme, Förderprogramme für Mobilitäts- oder Wärmekonzepte. Der Beschluss der Umweltministerkonferenz sagt, dass sozial- und steuerpolitische Instrumente mitzudenken sind, um Schieflagen zu vermeiden. Das gibt Rückenwind.

Befürworter sagen, die CO₂-Bepreisung sei wichtig. Aber sie reiche nicht.

Wir müssen erst mal den Einstieg in die Dekarbonisierung schaffen. Dafür müssen wir beseitigen, was uns davon abhält, in die erneuerbaren Energien zu investieren. Aber natürlich: Damit allein erreichen wir nicht unsere Ziele bei den CO₂-Emissionen. Wir müssen ganz rauskommen aus den Fossilen. Das hängt auch mit ordnungsrechtlichen Maßgaben zusammen. Es wäre zum Beispiel Irrsinn, noch in fünf, zehn Jahren Öl- oder Gasheizungsanlagen in neue Häuser einzubauen. Solche Anlagen haben einen Investitionszyklus von 20, 30 Jahren mindestens. 20, 30 Jahre - das ist genau die Zeit, die wir noch haben, um zu unseren Klimazielen zu kommen.

Nachfolger für Umweltminister Robert Habeck

Jan Philipp Albrecht, 36, ist seit September 2018 Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Digitalisierung in Schleswig-Holstein. Der Grüne gehört der einzigen Jamaika-Koalition in Deutschland an.

(Foto: Markus Scholz/dpa)

CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer ist gegen Ihre CO₂-Bepreisung. Bei Kanzlerin Merkel weiß man es nicht so genau. Wie passt das zu dem Umstand, dass wir fast jeden Tag die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels spüren?

Das ist die Angst der Politik vor der Wählerschaft. Die hat einen in den letzten Jahren ja auch das Fürchten gelehrt mit dem Aufkommen populistischer, zum Teil extremistischer Kräfte oder mit Entscheidungen wie dem Brexit. Und das andere ist: Offensichtlich haben einige noch nicht erkannt, wie dringend es ist, die Emissionen zu reduzieren. Die Messwerte sind eindeutig. Die Trockenheit der Böden. Die ausbleibenden Niederschläge. Die steigende Temperatur in den Meeren. Alles ist deutlich schlimmer als die Prognosen, die unseren Klimazielen zugrunde liegen. Diese Dramatik muss uns bewusster werden. Man muss den Leuten sagen: Ihr verliert nicht, wenn wir uns darauf einstellen. Aber man muss das dann eben auch ausgestalten.

In der Kieler Jamaika-Koalition ist man sich einig über die CO₂-Bepreisung?

Kern dieser Koalition ist das Zusammenbringen von Ökonomie und Ökologie. Die Erkenntnis ist gewachsen, dass nicht nur die Umwelt profitiert, wenn wir die Energiewende konsequent angehen - sondern auch unsere Wirtschaft. Wir sind damit in Deutschland die erste Regierung, die die CO₂-Bepreisung beschlossen hat.

Klar, Windkraftwerke sind ein gutes Geschäft an der Küste.

An der windigen Küste ist nun mal viel Potenzial für erneuerbare Energie. Das kommt ja auch allen zugute. Auch den Bayern - sofern die dazugehörigen Netze schnell genug ausgebaut werden.

Das Thema frustriert die Windkraft-Industrie.

Kein Wunder. Der Netzausbau geht viel zu langsam voran. Beim Ausbau der erneuerbaren Energie haben wir bundesweit fast Stillstand. Beim Thema Wärme und Mobilität tut sich sehr wenig. Die Bundesgesetzgebung steht Entwicklungen auf diesen Feldern überall im Weg. Die entscheidenden Weichenstellungen schieben wir vor uns her. Dazu kommen die besagten hohen Preise. Unternehmen, die ihren Fuhrpark umstellen wollen oder die Rückverstromung von Überschussenergie wollen, werden ausgebremst durch diese chaotische und schlechte Energiebepreisung. Alle sehen das. Nur die große Koalition offenbar noch nicht. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, endlich zu liefern.

Viele Bürger lehnen eine CO₂-Steuer ab

Die Umweltminister der Länder haben den Bund aufgefordert, die Einführung eines Preises für den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid zu prüfen. Das solle "bereits in der jetzigen Legislaturperiode" und "unter Berücksichtigung zusätzlicher sozial- und steuerpolitischer Instrumente zur Vermeidung sozialer Schieflagen" geschehen, beschlossen die Umweltminister am Freitag in Hamburg. Ein CO₂-Preis kann eine Steuer oder Abgabe sein, aber auch ein Handel mit Emissionszertifikaten, wie es ihn in der EU für die Energiewirtschaft und Teile der Industrie gibt. Ziel ist, den CO₂-Ausstoß teurer zu machen, um klimafreundliche Technik zu fördern und das Verhalten der Bürger zu lenken.

Die Umweltminister betonten, die Maßnahmen der Bundesregierung zum Klimaschutz hätten bisher keine ausreichende Lenkungswirkung gehabt. Allerdings lehnt eine Mehrheit der Deutschen eine CO₂-Steuer ab. Im Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen lehnen 61 Prozent der Befragten die Einführung einer solchen Steuer ab. Nur unter den Anhängern der Grünen befürwortet eine deutliche Mehrheit, nämlich 64 Prozent, eine Kohlendioxidsteuer. Im Anhang jeder anderen Bundestagspartei überwiegt dagegen Ablehnung. dpa, sz

Wie sehen Sie die Aussichten?

Mein Gefühl ist, dass die Union gerade ziemlich rumtaktiert. Das finde ich relativ traurig, weil das unserer politischen Verantwortung nicht gerecht wird. Möglicherweise hilft der Umstand, dass es nicht nur um Klimaschutz geht. Uns läuft auch die Zeit davon beim Vorhaben, Vorreiter im Bereich der erneuerbaren Energien zu werden. Die Zustimmung der Umweltministerkonferenz war heute ein wichtiger Schritt.

Kann Ihr Ministerpräsident Daniel Günther nicht mit seiner Parteifreundin Kramp-Karrenbauer reden?

Ich bin sicher, das tut er schon. In der CDU/CSU gibt es durchaus auch andere Positionen als die von Frau Kramp-Karrenbauer. Ich bin sicher, die anderen Meinungen werden sich durchsetzen. Spätestens nach den nächsten Wahlen. Die neue CO₂-Bepreisung wird kommen. Die Frage ist nur, ob die große Koalition sie umsetzt. Oder eine andere.

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