Süddeutsche Zeitung

Vereinte Nationen:Kursänderung für den Klimaschutz

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Exakt fünf Jahre nach dem Abschluss des Pariser Abkommens treffen sich Staats- und Regierungschefs zur virtuellen Geburtstagsfeier. Und jeder hat etwas mitgebracht.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich der Papst öffentlich mit der Abfallwirtschaft beschäftigt. Oder mit nachhaltiger Mobilität. Oder mit dem effizienten Einsatz von Energien. An diesem Samstag aber hat auch Papst Franziskus ein kleines Geschenk vorbereitet für den virtuellen Klimagipfel der Vereinten Nationen. Das Oberhaupt des Heiligen Stuhls will den Vatikan bis 2050 klimaneutral machen. "Die Zeit ist gekommen, den Kurs zu ändern", sagt der Papst.

Die halbe Welt ist virtuell versammelt an diesem Samstag, fünf Jahre nach Abschluss des Klimaabkommens von Paris. Seinerzeit saßen die Vertreter der Staaten in einer Messehalle in Le Bourget, diesmal schicken sie Botschaften aus Präsidentenbüros und Kanzlerämtern, für einen Gipfel ohne Ort. "Liebe Freunde des Planeten", grüßt UN-Generalsekretär António Guterres, um dann mit einer Standpauke fortzufahren. "Fünf Jahre nach dem Pariser Abkommen gehen wir immer noch nicht in die richtige Richtung." Die bisherigen Zusagen der Staaten reichten bei weitem nicht, warnt Guterres. Es werde Zeit, dass Regierungen weltweit für ihre Länder den "Klimanotstand" ausrufen.

Russlands Wladimir Putin fehlte, genau wie Brasiliens Jair Bolsonaro und Donald Trump

Der Gipfel ohne Ort füllt die Lücke, die das Coronavirus gerissen hat. Schon im November hätten sich die Staaten im schottischen Glasgow treffen sollen - auch, um neue Ziele unter dem Paris-Abkommen zu verabreden. Mit der Pandemie aber entfielen auch die Verabredungen. Schon deshalb hatte die Teilnahme an der virtuellen Geburtstagsfeier ihren Preis: Wer hier reden wollte, durfte nicht mit leeren Händen kommen. So wie der Papst mit der Zusage der Klimaneutralität bis 2050 kam.

Für Deutschland wird Angela Merkel zugeschaltet, mit einem Video aus dem Kanzleramt. "Deutschland weiß um seine Verantwortung", sagt sie. Daheim steige man aus Kernkraft und Kohle aus, und setze darauf, CO₂ zu bepreisen. Weltweit aber brauche es auch günstiges Kapital für saubere Investments. "Deutschland will hierfür zusätzlich knapp 500 Millionen Euro bereitstellen." Solche Finanzzusagen fallen einige, gerade von Industriestaaten. Österreich sagt weitere 100 Millionen Euro für einen Fonds zu, der den grünen Umbau forcieren soll, Italien gibt 30 Millionen Euro, um ärmere Staaten bei der Bewältigung von Klimawandel-Folgen zu unterstützen. Aber bei solchen Zusagen bleibt es nicht.

Chinas Staatspräsident Xi Jinping verspricht schärfere Klimaziele für 2030. Ein Viertel der Energie solle bis dahin aus nicht-fossilen Quellen kommen - bisher peilte Peking 20 Prozent an. Die CO2-Intensität der chinesischen Wirtschaft solle um 65 Prozent sinken; jeder Dollar Bruttosozialprodukt soll also mit 65 Prozent weniger Emissionen verbunden sein als 2005. Neue Wälder würden gepflanzt, die Kapazität von Wind- und Solarkraft auf 1200 Gigawatt anwachsen. Verglichen mit 2019 wäre das eine Verdreifachung. "China steht zu seinen Versprechen", sagt Xi. Man werde "solide Schritte" ergreifen. Seine Regierung hatte sich lange gescheut, solche Zusagen zu machen.

Frankreich bereitet sich auf ein Ende klimaschädlicher Subventionen vor, Großbritannien will fossile Investitionen jenseits der Insel nicht mehr unterstützen. "Wir haben uns entschieden, an die Arbeit zu gehen", sagt Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin will ihr Land schon bis 2035 klimaneutral machen, Österreichs Sebastian Kurz sagt das für 2040 zu.

Und es geht weiter: Äthiopien will dieses Ziel, bei dem ein Land nicht mehr CO2 ausstößt als es anderweitig speichert, schon bis 2030 erreichen, und Kolumbien bis 2030 seine Emissionen mehr als halbieren. Gabun bereitet ein Klimagesetz vor, und die Bürgermeisterin von Freetown in Sierra Leone will ihre Stadt zu "Treetown" machen, zur Stadt der Bäume. Es hagelt nur so vor Zusagen, auch Unternehmen kommen zu Wort. Apple-Chef Tim Cook etwa will bis 2030 seine gesamte Zulieferkette klimaneutral wissen.

Der Papst und der Apple-Chef gemeinsam in einer Konferenz - so etwas bringt nur der Geburtstag eines wirklich großen Abkommens zustande. Aber einige fehlen eben auch. Russlands Wladimir Putin ist nicht dabei. Brasiliens Jair Bolsonaro auch nicht, und natürlich auch nicht Donald Trump. Stattdessen meldet sich der gewählte US-Präsident Joe Biden schriftlich. An Tag eins seiner Präsidentschaft würden die USA zum Abkommen zurückkehren, versichert er.

Für den britischen Premier Boris Johnson, der sich an diesem Wochenende auch noch mit dem Brexit herumschlagen muss, sind das keine schlechten Aussichten. Im kommenden Jahr soll der Gipfel nachgeholt werden, dann könnten die Zusagen von diesem Samstag auch andere unter Druck setzen. "Ich freue mich schon", sagt Johnson, "euch nächsten November alle face-to-face in Glasgow zu sehen.

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