Kleiner Parteitag der Grünen:Warum die K-Frage eine Koalitionsfrage wird

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Die Grünen lassen ihre Basis den Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl bestimmen. Immerhin eine verbindliche Entscheidung. Die Freunde von der SPD wissen noch nicht, wie sie aus ihrem Kandidaten-Troika-Murks ohne größeren Schaden herauskommen. Doch das ist auch für die Grünen ein Problem.

Nico Fried

Bei den Grünen kommt manchmal manches anders und bleibt am Ende doch, wie es ist. Vor ein paar Jahren wurde gemutmaßt, dass die Partei ohne Joschka Fischer keine Zukunft habe. Gemessen daran geht es ihr heute glänzend. 2010 hieß es dann, dass die Grünen sogar einen Kanzlerkandidaten aufstellen müssten. Gemessen daran hat die Partei heute an Boden verloren. Nun brauchen die Grünen keinen Spitzenkandidaten, stellen aber wieder zwei auf. Wie gehabt.

Die Grünen brauchen keinen Spitzenkandidaten, stellen aber wieder zwei auf. (Foto: dpa)

Weil diese Aufgabe attraktiv erscheint, wollen es viele werden. Deshalb wird es eine Urwahl geben, so hat es nun der Länderrat beschlossen. Man kann lange darüber diskutieren, ob das gut ist oder nicht. Wahrscheinlich ist es egal.

Immerhin: Gemessen daran, dass die Freunde von der SPD noch nicht wissen, wie sie aus ihrem Kandidaten-Troika-Murks ohne größeren Schaden herauskommen, haben die Grünen wenigstens eine verbindliche Entscheidung getroffen.

Für die Bundestagswahl wird diese Frage nicht entscheidend sein. Das grüne Spitzenpersonal nimmt sich nicht viel. Das Problem liegt beim potenziellen Koalitionspartner. Je länger die Sozialdemokraten politisch und personell nicht aus dem Quark kommen, desto mehr droht den Grünen eine Diskussion über ihre sehr enge rot-grüne Koalitionsaussage. Die Chancen der Grünen auf ein gutes Ergebnis stehen nicht schlecht. Die Chancen auf eine rot-grüne Mehrheit schon.

Das Gute an der Urwahl ist, dass sie jene zwei Vorleute bestimmen wird, die diese Diskussion wohl führen müssen. Eine Urwahl drängt sich als Instrument umso mehr auf, je weniger eine Persönlichkeit herausragt.

Wohin die Autorität reicht

Wie die Kandidatur von Parteichefin Claudia Roth zeigt, reicht die Autorität nur, um anderes zu verhindern, zum Beispiel eine alleinige Kandidatur von Jürgen Trittin. Dass es zu so einem Solo nun nicht gekommen ist, mag Trittin selbst am meisten erleichtern. Es erspart ihm die Beweisführung, dass er allein über eine grüne Kernklientel hinaus Sympathien und vielleicht auch ein paar Wählerstimmen erringen kann, wie es Fischer vermochte.

Ja doch, 2009 haben die Grünen mit Künast und Trittin sogar zweieinhalb Prozentpunkte mehr erreicht, als mit Fischer 2005. Vor sieben Jahren aber wurde eine rot-grüne Regierung abgewählt. 2009 hingegen konnten die kleinen Parteien in der Opposition gegen die große Koalition mobilisieren - was den Grünen im Vergleich zu FDP und Linken am wenigsten gelang.

Spitzenpersonal in spe bei den Grünen
:Roth für Grün in Ewigkeit, Amen

Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Claudia Roth und Jürgen Trittin - seit Jahrzehnten wird das Bild der Grünen von den gleichen Personen bestimmt. Gibt es wirklich niemanden sonst, der an der Spitze mitmischen könnte? Wir hätten da noch ein paar Kandidaten.

Mit Roth, Künast und Trittin konkurrieren nun drei, freundlich gesagt sehr routinierte Grüne um die Spitzenkandidatur. Ihre Wählerwirksamkeit ist eher begrenzt. Bei Künast, der einstigen Verbraucherschutzministerin mit der großen Klappe, mag das mal anders gewesen sein. Mit ihrem konfusen Wahlkampf in Berlin hat sie sich entzaubert.

Bei Roth gab es stets nur Freund oder Feind, aber wenig Austausch zwischen beiden. Und Trittins ewiges Problem wird bleiben, dass seinen Scharfsinn gelegentlich dessen unsympathische Schwester Selbstgerechtigkeit begleitet.

Katrin Göring-Eckardt, die vierte prominente Kandidatin, die zumindest für einen halben Generationswechsel stünde, hat als Präses der Evangelischen Kirche vielleicht den größten Wirkungskreis außerhalb der Partei.

Es gibt keinen denkbaren Ausgang dieser Urwahl, der den Grünen als Partei wirklich schaden könnte. Der Fehler liegt darin, dass sie in gewisser Weise den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Sie bestimmen die interne Hackordnung - und natürlich die Reihenfolge des Zugriffs auf die Ministerien im Falle einer Regierungsbeteiligung. Dabei müssten die Grünen eher debattieren, wie realistisch eine solche Mehrheit überhaupt ist.

Gerne führen SPD und Grüne Nordrhein-Westfalen als Indiz für die Machbarkeit einer rot-grünen Mehrheit an. Dabei war der Sieg von Hannelore Kraft im zweiten Durchgang vor allem ein beredtes Beispiel für die Bedeutung einer populären Amtsinhaberin. In Düsseldorf gab es so wenig Wechselstimmung gegen Kraft, wie derzeit im Bund gegen Angela Merkel. Aus heutiger Sicht erscheint vielen Bürgern die FDP als Koalitionspartner verzichtbar. Aber die Kanzlerin?

Union und FDP kommen jedoch als Koalitionspartner für die Grünen nicht infrage. Nur so ist jedenfalls zu verstehen, dass lange Zeit davon die Rede war, die schwarz-gelbe Regierung "rückstandsfrei" zu beseitigen. Das allerdings ist nicht nur eine sprachlich grenzwertige Formulierung (was die Grünen mittlerweile wohl selbst verstanden haben), sondern politisch auch relativ engstirnig. Die Debatte um eine Ampel oder gar Schwarz-Grün, die mit diesen Worten weggedrückt werden sollte, könnte die Grünen sehr schnell wieder einholen.

© SZ vom 03.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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