Große Koalition:"Wir sind arbeitsfähig"

Große Koalition: Seht her, diese Harmonie! Alexander Dobrindt (CSU) und die Fraktionschefs von Union und SPD, Ralph Brinkhaus und Rolf Mützenich. (v.l.)

Seht her, diese Harmonie! Alexander Dobrindt (CSU) und die Fraktionschefs von Union und SPD, Ralph Brinkhaus und Rolf Mützenich. (v.l.)

(Foto: Odd Andersen/AFP)
  • Nach den schlechten Ergebnissen bei der Europawahl demonstrieren die Fraktionsspitzen von Union und SPD auf ihrer Klausur Einigkeit.
  • "Wir haben Lust darauf, weiterzumachen", sagt Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus über die Koalitionsfraktionen.
  • Sie fassen mehrere Beschlüsse - unter anderem soll der Staat jetzt selbst Mobilfunkmasten errichten lassen, um den Netzausbau zu beschleunigen.

Von Robert Roßmann und Mike Szymanski, Berlin

Was der Hauptzweck dieser Klausur sein sollte, hat man schon am Donnerstagabend erleben können. Da kamen die Spitzen der Koalitionsfraktionen in einem Restaurant am Berliner Landwehrkanal zusammen. Ein Politiker nach dem anderen trudelte vor dem idyllischen Fachwerkhaus ein. Und alle, die reden wollten, taten vor allem eines kund: Wie wichtig es doch sei, dass die Koalition jetzt trotz der schlechten Wahlergebnisse weiter arbeite.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus, sein SPD-Pendant Rolf Mützenich und der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt stellten sich demonstrativ gemeinsam vor die Kameras, um die neue Harmonie zu dokumentieren. Der Koalitionsvertrag halte für die Menschen "noch eine Menge guter Dinge" bereit, sagte Mützenich. "Wir sind arbeitsfähig" beteuerte Brinkhaus. Und Dobrindt kündigte an, die Klausur werde ein "klares Zeichen der Stabilität" senden, denn die Koalition sei besser "als ihr Ruf".

Dann zogen die Drei an einen Stehtisch weiter, und tranken so lange gemeinsam Bier, bis auch der letzte Fotograf die Szene der Harmonie aufgenommen hatte. Die Klausur der Spitzen der Koalitionsfraktionen, das war da schon klar, sollte vor allem dazu genutzt werden, um Ruhe in die Koalition zu bringen und es den Zweiflern am Sinn des Bündnisses schwerer zu machen.

Union und SPD wollen "Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft" schaffen

Das - so viel kann man sagen - ist den Koalitionspartnern dann auch gelungen. Am Freitagmorgen ging die Klausur im Bundestagsgebäude weiter. Und am Ende gab es eine Reihe einstimmig gefasster Beschlüsse - unter anderem zur Pflege und zum Mobilfunk. So wollen Union und SPD jetzt die Mobilfunkversorgung in Deutschland deutlich verbessern. Um das zu erreichen, solle eine neue "Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft des Bundes für den Bau von Mobilfunkmasten in unversorgten Regionen" geschaffen werden, heißt es in dem Beschluss. Über diese Gesellschaft werde "die öffentliche Hand erstmalig" den Bau eigener Mobilfunkmasten in Auftrag geben können. Um "einen effektiven Ausbau" zu gewährleisten, wollen die Koalitionsfraktionen dafür "prioritär" Grundstücke in staatlichem Besitz nutzen. Das erleichtert die Genehmigungsverfahren. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Sören Bartol sagte, die Koalition werde außerdem "die Sanktionen massiv erhöhen", wenn sich Mobilfunkunternehmen nicht an die Versorgungsauflagen halten.

Über die umstrittenen Themen Grundrente und Grundsteuer wurde auf der Klausur nicht gesprochen, das bleibt jetzt dem am Sonntagabend zusammen kommenden Koalitionsausschuss vorbehalten. Aber zumindest bei der Grundsteuer scheint sich ein Kompromiss anzubahnen. Und auch der Streit um den Abbau des Solidaritätszuschlags hat sich entspannt. Die Union würde den Soli zwar gerne ganz abschaffen, laut Koalitionsvertrag soll er aber nur für 90 Prozent der Betroffenen entfallen. In der CDU hat sich in den vergangenen Wochen jedoch die Einsicht breit gemacht, dass es besser ist, trotzdem erst einmal den 90-Prozent-Abbau mitzumachen. Was man hat, das hat man. Außerdem müsste die Union, falls die Regierung platzt, der Teilabbau aber noch nicht Gesetz ist, bei den nächsten Koalitionsverhandlungen dafür noch einmal Konzessionen an anderer Stelle machen. Das will die CDU vermeiden. Auf ihrer Klausur bekräftigten die beiden Fraktionsspitzen jetzt, den Soli "in einem ersten Schritt" für neunzig Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler "ab dem Jahr 2021" abzuschaffen.

Die Mehrheit hat kein Interesse an Neuwahlen

Die Regierung müsse jetzt zeigen, dass sie handlungsfähig ist, sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann. Dazu gehöre es eben auch, "Streitthemen wie Soli und Grundrente endlich abzuräumen". Aber auch bei den SPD-Teilnehmern herrschte am Freitag erstaunliche Zuversicht. Sonja Steffen, Abgeordnete und Justiziarin der SPD-Fraktion sagte: "Viele glauben es ja nicht, aber die Stimmung ist gut." Weder in der Unions- noch in der SPD-Fraktion hat die Mehrheit der Abgeordneten ein Interesse an vorzeitigen Neuwahlen. Denn, wie es einer in einer kurzen Pause formulierte: "Wir sind alle in einem Boot. Und weiter nach unten kann es nicht gehen." Die Lage der SPD sei furchtbar, die der Union aber auch schlimm, sagte ein anderer. Das Bedürfnis nach Neuwahlen hat man da nicht, dann lieber weiter regieren. Und das scheint trotz des Wirbels um den Rückzug von Andrea Nahles derzeit ja auch relativ reibungslos zu gelingen - wie die Abstimmung über das große Asyl- und Migrationspaket vor einer Woche gezeigt hat.

In ihrer Abschluss-Pressekonferenz am Freitag zeigten sich Mützenich, Dobrindt und Brinkhaus dann auch ziemlich zufrieden. "Wir haben Lust darauf, weiterzumachen", sagte Brinkhaus. Man habe heute "den Korb" der Koalition mit weiteren guten Projekten gefüllt - was es leichter machen werde, sich bei der anstehenden Halbzeitbilanz des Bündnisses für eine Fortsetzung auszusprechen, sagte Mützenich. Und Dobrindt bescheinigte dem neuen SPD-Fraktionschef einen "ausgesprochen gelungenen Start".

So viel Harmonie hat es in dieser Koalition tatsächlich schon länger nicht mehr gegeben.

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