Klaus Wowereit:Lafontaine soll aus SPD austreten

"Eitel und unsolidarisch": Franz Müntefering und andere Parteimitglieder wie Berlins Bürgermeister Wowereit kündigen Lafontaine die Genossenschaft. Gehen soll dieser aber von alleine...

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat Oskar Lafontaines Forderung nach einem Rücktritt von Bundeskanzler Gerhard Schröder heftig kritisiert. "Das Verhalten von Lafontaine ist hoch unsolidarisch. Dann sollte er die Konsequenzen ziehen und aus der SPD austreten", sagte Wowereit dem Tagesspiegel.

Protestfigur: Oskar Lafontaine.

Protestfigur: Oskar Lafontaine.

(Foto: Foto: ddp)

Die Zeitung berichtet, in der Berliner SPD seien die Parteimitglieder froh und erleichtert, sollte Lafontaine der SPD den Rücken kehren. Niemand glaube dort, dass Lafontaines Angriffe auf Schröder die parteiinternen Kritiker mobilisieren werde. Er erreiche damit im Gegenteil einen hohen Solidarisierungseffekt mit Schröder.

Lafontaine hatte dem Magazin Der Spiegel gesagt, er werde notfalls eine neue linke "Wahlalternative" unterstützen. Lafontaine war 1999 abrupt und ohne öffentliche Erklärung als Bundesfinanzminister zurückgetreten und hatte sämtlichen politischen Ämter niederlegt.

Scharfe Rüge von Müntefering

Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering erteilte Lafontaine am Wochenende eine scharfe Rüge und nannte sein Verhalten "eitel und unsolidarisch". Lafontaine versuche Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Politik der SPD zu diffamieren, ohne Rücksicht auf die mitten in Landtagswahlkämpfen stehenden Landesverbände zu nehmen.

Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Kemper, sagte laut Welt: "Verabschiedet sich Lafontaine nicht von allein, muss er aus der SPD ausgeschlossen werden."

Noch kein Parteiausschluss geplant

Die SPD plant derzeit aber noch keinen Parteiausschluss ihres früheren Vorsitzenden. Wer gegnerische Organisationen unterstütze, müsse zwar wissen, dass er dies nicht innerhalb der SPD tun könne, sagte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter am Montag in der ARD. Zur Zeit gebe es aber noch keinen Anlass, "die eitle Selbstgefälligkeit von Herrn Lafontaine" entsprechend zu sanktionieren.

Benneter wies aber darauf hin, dass es bei aller innerparteilicher Demokratie klare Grenzen gebe, die auch Lafontaine beachten müsse. Wer Mehrheiten erreichen wolle, müsse das innerhalb der Partei tun.

Der dem reformorientierten SPD-"Netzwerk" angehörende Abgeordnete Hubertus Heil wurde mit den Worten zitiert: "Wenn er es mit seinen Äußerungen darauf anlegt, rausgeworfen zu werden, sage ich nur: Er soll selber gehen."

Klaas Hübner, Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, sagte dem Blatt: "Ich rate Lafontaine, sich zu überlegen, ob er in der Partei noch aufgehoben ist."

"Persönlicher Rachefeldzug gegen Schröder"

Lafontaines Äußerungen seien "vom Stil her geradezu abstoßend", sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler der Financial Times Deutschland. Lafontaine benutze die - von IG-Metall-Funktionären gegründete - Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit "für seinen persönlichen Rachefeldzug gegen Schröder". In der Welt warf Erler Lafontaine Erpressung nach dem Motto vor: "Wehe wenn die SPD nicht in einem Jahr Kurs und Kanzler wechselt, dann werde ich vielleicht kommen." Lafontaine müsse sich entscheiden, was er wolle.

Müller: Mütchen kühlen?

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Michael Müller kritisierte, Lafontaine nehme eine "verhängnisvolle Zersplitterung der politischen Linken" in Kauf.

Lafontaine soll aus SPD austreten

Der ehemalige SPD-Vorsitzende Lafontaine habe "verdammt noch mal" die Pflicht, "auch mal deutlich zu sagen, was er will", sagte Müller im Deutschlandfunk. "Will er nur spalten, will er die Linke zersplittern, will er im Grunde genommen nur sein Mütchen kühlen oder ist er noch zu konstruktiver Politik fähig? Das sehe ich im Augenblick nicht."

Müller rechnet trotz der aktuellen Kritik an Lafontaine jedoch mit dessen Verbleib in der Partei. "Er hat oft angekündigt, dass er Sozialdemokrat ist und Sozialdemokrat bleiben will."

Fraktionsvorstandsmitglied Jörg Tauss meinte, Lafontaine würde der SPD einen großen Dienst erweisen, wenn er ginge: "Reisende soll man nicht aufhalten."

"Informelle Kontakte"

Der Sprecher der Wahlalternative, Klaus Ernst, sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, wenn Lafontaine sich zur Mitarbeit entschlösse, "heißen wir ihn besonders herzlich willkommen". Ein anderer Sprecher, der Fürther Gewerkschafter Thomas Händel, berichtete den Nürnberger Nachrichten, es gebe seit längerem "informelle Kontakte" mit Lafontaine. "Man telefoniert ab und zu miteinander. Er erkundigt sich, was sich bei uns so tut."

Parteienforscher: Linkspartei käme mit Lafontaine auf 15 Prozent

Der Mainzer Parteienforscher Jürgen Falter schätzt das Potenzial einer neuen Linkspartei mit Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine als Spitzenkandidat auf 15 bis 20 Prozent. Wenn Lafontaine seine Drohung wahrmache, sich für eine neue Partei zu engagieren, "besteht für die SPD Anlass zu großer Sorge", sagte Falter der Bild-Zeitung. SPD und PDS wären bei der nächsten Bundestagswahl dann die Verlierer. "Die SPD würde es allerdings deutlich schlimmer treffen", so die Einschätzung Falters.

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