Eine Führungskrise erschüttert die AfD in Nordrhein-Westfalen, dem mitgliederstärksten Landesverband der rechtspopulistischen Partei: Klaus Esser, bisher stellvertretender Vorsitzender der Landespartei und der Fraktion im NRW-Landtag, erklärte am Mittwoch seinen Rücktritt. Der 43-jährige Politiker, der als Vertrauter des Landesvorsitzenden Martin Vincentz und parteiintern als vergleichsweise gemäßigt gilt, erklärte, er sei Opfer einer Kampagne „von destruktiven Personen aus dem Innern unserer Partei“. Vorige Woche hatte die Rheinische Post von Vorwürfen aus AfD-Kreisen berichtet, Esser habe seinen Lebenslauf gefälscht und wahrheitswidrig behauptet, Jurist zu sein.
Hingegen will Esser, der im NRW-Parlament wiederholt mit scharfen Attacken gegen Abgeordnete anderer Parteien auffiel, sein Landtagsmandat offenbar behalten. Dort wolle er seine Arbeit „weiterhin ruhig und seriös“ im Sinne der AfD fortsetzen, erklärte er am Mittwoch. Die Staatsanwaltschaft Aachen bestätigte, man habe nach Strafanzeigen inzwischen Vorermittlungen gegen den Politiker aus Düren eingeleitet, unter anderem wegen Urkundenfälschung.
Essers „Master of Law“ kann nicht nachgewiesen werden
Der Skandal – oder die parteiinterne Intrige – um den Lebenslauf des AfD-Politikers ist pikant: Erst Ende Juni hatte Esser die Ampelregierung im Bund auf Instagram als „Ungelernte, Studienabbrecher, Lebenslauffälscher, Insolvenzerklärer“ geschmäht.
Esser war vor vier Jahren offenbar auch deshalb zum Geschäftsführer der Landespartei gekürt worden, weil er auf juristische Referenzen verwiesen hatte. Dabei, so Parteifreunde, habe er seiner Bewerbung kopierte Dokumente über ein erstes juristisches Staatsexamen und einen Abschluss an der Fernuniversität Hagen als „Master of Law“ (LL.M.) beigelegt. Recherchen der Rheinischen Post ergaben jedoch, dass es dafür keine Nachweise gebe. Esser ließ über eine Kölner Anwaltskanzlei erwidern, sein Lebenslauf sei von Dritten gefälscht worden, um ihm zu schaden.
Die AfD-Führung in NRW betont bisher, für Esser gelte die Unschuldsvermutung. Esser beteuerte am Mittwoch, er werde die staatsanwaltlichen Ermittlungen in seiner Sache unterstützen. Er sieht sich als Opfer: „Ich soll politisch und existenziell vernichtet werden, unser erfolgreicher Landesverband soll destabilisiert werden.“ Der AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich, der in NRW dem rechtsextremen AfD-Flügel zugerechnet wird, warf Esser auf X wiederum „kriminelle Energie“ vor.
Ärger gab es auch schon früher
Die jetzige Affäre ist nicht der erste Fall, mit dem Esser ungewollt für Aufsehen sorgt. Im Juni berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger, ein Mitarbeiter in Essers Landtagsbüro sei 2022 zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden war – wegen Körperverletzung und antisemitischer Beleidigungen. Der AfD-Landtagsmitarbeiter soll im August 2020 zu einer Gruppe Burschenschaftler gehört haben, die einen 25-jährigen Studenten jüdischer Herkunft übelst malträtiert und als „Judensau“ beschimpft hatten.
Ebenfalls im Juni waren gegen Esser Vorwürfe aus seiner Heimatstadt Düren bekannt geworden. Als dortiger Sprecher des AfD-Kreisverbandes soll Esser mehrfach an der Aufnahme von Neumitgliedern beteiligt gewesen sein, die nicht im Kreis Düren gemeldet gewesen seien. Ein AfD-Politiker aus dem Nachbarkreis Euskirchen warnte bereits, dies könne Folgen für den gesamten Landesverband haben: Die Ergebnisse des jüngsten Parteitags der NRW-AfD in Marl, der Esser zum Landesvize der Partei beförderte, seien anfechtbar.