Klaus Barbie und der BND:Der verlässliche Nazi

Gestapo-Offizier Klaus Barbie tat sich als Folter-Experte hervor - sein barbarisches Wüten brachte ihm den Zunamen "Schlächter von Lyon" ein. Als glühender Antikommunist war er nach dem Dritten Reich gefragt. Auch beim BND.

Willi Winkler

Auf seine alten Tage wurde Reinhard Gehlen ein bisschen wunderlich. Martin Bormann, so versicherte er in seinen Memoiren, die 1971 unter dem wehrmachtsgrauen Titel Der Dienst erschienen, sei 1945 keineswegs gestorben, sondern sehr lebendig geblieben und nach Moskau verzogen. Der "Sekretär des Führers" habe diesen nämlich verraten und sei schon lang vor dem Untergang des "Dritten Reichs" in ständigem Funkkontakt mit den Sowjets gestanden. Nur die logische Konsequenz aus dieser schlagenden Erkenntnis ersparte sich der Gründer des Bundesnachrichtendienstes (BND): dass der Führer, dem Gehlen als General in der Abteilung "Fremde Heere Ost" so treu gedient hatte, nur durch diesen Verrat gefallen sei.

Klaus Barbie, 1987, Lyon/Frankreich

Er entkam seinem Todesurteil - Der ehemalige Gestapo-Offizier Klaus Barbie im Gerichtssaal von Lyon.

(Foto: REUTERS)

Der Kampf gegen den Kommunismus erforderte gelegentlich den einen oder anderen Kompromiss. So kann der Spiegel jetzt enthüllen, dass Klaus Barbie 1966 gegen eine Monatspauschale von 500 DM für den BND gearbeitet hat. Mindestens 35 Berichte soll er als Agent 43118 geschrieben haben. Sein Führungsoffizier beschrieb ihn als "intelligent", nannte ihn "verschwiegen und zuverlässig". Ganz so verschwiegen kann er nicht gewesen sein, denn als der deutsche Botschafter Walter Motz im gleichen Jahr im Deutschen Club in La Paz zu Gast war, pöbelte Barbie herum und grüßte nach alter Weise mit "Heil Hitler!" Der erboste Botschafter, was sei der schon, er, Barbie, sei immerhin Gestapo-Offizier.

Er deportierte 44 Kinder nach Auschwitz

Klaus Barbie war möglicherweise auch intelligent, aber vor allem war er ein Söldner und damit ein Mann, der vielseitig einzusetzen war. Dem "Dritten Reich" und vor allem der Gestapo verdankte der Berufslose seinen Aufstieg. Bereits bei der deutschen Besetzung Hollands und Belgiens tat er sich als Folter-Experte hervor. Im nicht von den Deutschen besetzten Vichy-Frankreich quälte er angebliche Widerständler mit Elektroschocks. Barbie war verantwortlich für die Ermordung des Résistance-Chefs Jean Moulin und sorgte für die Deportation der 44 Kinder aus dem jüdischen Waisenhaus in Izieu nach Auschwitz. Sein barbarisches Wüten brachte ihm den Zunamen "Schlächter von Lyon" ein.

Die im Kampf gegen die Résistance gewonnenen Fertigkeiten gingen bei Kriegsende keineswegs verloren, sondern ließen sich jetzt gegen einen vertrauten Feind einsetzen, die Kommunisten. Ernst Cramer, der langjährige Vorsitzende der Axel-Springer-Stiftung, kam 1945 als Mitglied der District Information Services Control (DISC) in seine Geburtsstadt Augsburg zurück und erlebte, wie der amerikanische Geheimdienst CIC konsequent ehemalige Angehörige von SS, SD und Gestapo rekrutierte, um sie alte Kameraden und neue Kommunisten aufspüren zu lassen. Sie hätten sich "mit Gusto" an der Hatz nach ihren ehemaligen Freunden beteiligt, erinnerte sich Cramer noch kurz vor seinem Tod, "und für die Kommunisten-Jagd waren sie ja jahrelang ausgebildet worden".

"Agent furchtlos" mit solider Grundausbildung

Eine der besten Kräfte bei dieser Jagd war Klaus Barbie. CIC-Agent Robert S. Taylor machte 1947 die Bekanntschaft Barbies und geriet ins Schwärmen. Natürlich war bekannt, dass die französischen Behörden nach Barbie fahndeten, aber, wie Taylor am 27. Mai 1947 in einem Memorandum schrieb, "BARBIE impressed this Agent as an honest man, both intellectually and personally". Entscheidend war jedoch etwas anderes. Barbie erschien ihm "vollkommen furchtlos". Warum sich also nicht die bekannt solide Grundausbildung durch die Gestapo zunutze machen? Barbie sei "entschieden antikommunistisch", versichert Taylor seinen Vorgesetzten und liefert ihnen zugleich die denkbar beste Entlastung bei eventuellen Nachfragen von Zivilisten. Ein "Nazi-Idealist" sei der ehemalige Hauptsturmführer, "der sich und seine Überzeugungen durch die Nazi-Machthaber verraten glaubt".

Dieser ehrliche Idealist hatte spätestens 1947 Kontakt zur "Organisation Gehlen", aus der 1956 der BND wurde. Zwar musste er als angeblicher "Führer der SS-Widerstandsaktion" die Festnahme fürchten, zwar wurde er in Frankreich in Abwesenheit zum Tod verurteilt, aber den Amerikanern wie den Gehlen-Leuten war er nach seinem Einsatz im Kampf gegen den Kommunismus doch so lieb und teuer, dass sie ihn mit Geld und einem neuen Namen ausstaffierten und nach Bolivien ins Exil verschickten. Ende der fünfziger Jahre sammelte die deutsche Justiz Material gegen ihn, betrieb die Sache aber nur unentschlossen Die Tatsache, dass Barbie die Kinder verhaftet und deportiert habe, hieß es in einem juristischen Gutachten, beweise noch lange nicht, dass er gewusst habe, welches Schicksal ihnen bevorstand.

Seine alten Betreuer vergaßen ihn nicht. Der Kriegsverbrecher hatte sich mit Mühe in Bolivien eine halbwegs bürgerliche Existenz aufgebaut. Er betrieb ein Sägewerk und herrschte nun statt über verängstigte jüdische Kinder über Indios, die er für sich arbeiten ließ. Der Vietnamkrieg brachte ihn ins internationale Geschäft, und auch da waren Kontakte in die alte Heimat nützlich. Wegen der großen Zahl der Verwundeten stieg weltweit der Bedarf an Chinin, mit dem Barbie die Firma Boehringer in Ingelheim versorgen konnte. Mit einem ordentlichen Pass bereiste er die Welt und kam gelegentlich auch nach Hamburg, wo eine seiner Firmen über eine Zweigniederlassung verfügte.

Barbie hatte sich da längst in den Geschäftsmann Klaus Altmann verwandelt, der als "Marine-Ingenieur" auftrat und im landumschlossenen Bolivien die Transmarítima Boliviana betrieb, deren wesentlicher Zweck der Import von Waffen und Panzern aus Österreich und Deutschland bestand. Off-Shore-Geschäfte, an denen selbstverständlich der jeweilige Diktator großzügig beteiligt wurde, verschafften ihm sogar einen gewissen Wohlstand. Als nach dem Sechs-Tage-Krieg ein Waffenembargo gegen Israel verhängt wurde, fand Barbie nichts dabei, die Juden, die er einst so erbittert bekämpft hatte, mit dem begehrten Kriegsmaterial zu beliefern.

Tipps für die Jagd auf Che Guevara

Von seinen alten Leidenschaften musste er deshalb nicht lassen. In Bolivien gab es schließlich ebenfalls Oppositionelle zu bekämpfen, und als Verhörspezialist konnte Barbie auf einschlägige Erfahrungen zurückgreifen. 1966 pflog Altmann-Barbie nicht nur Kontakt zu BND-Leuten, sondern auch zu seinen amerikanischen Beschützern. Die hatten die gute alte Zeit nicht vergessen und suchten Barbies Rat, als ein Widerständler ganz neuen Typs in Bolivien auftauchte. Che Guevara, der 1959 zusammen mit Fidel Castro Kuba von dem durch die USA gestützten Diktator Batista befreit hatte, wollte mit einem Häuflein von gut vierzig Kämpfern die Revolution auch nach Bolivien tragen. Im Oktober 1967 wurde er von der Armee zur Strecke gebracht. Kai Hermann, der als Stern-Reporter Barbie noch im Kreise seiner Bewacher und Folterkameraden erlebte, ist sich sicher, dass Barbie den amerikanischen Ausbildern der Eingreiftruppe mit guten Ratschlägen behilflich war.

1987, viereinhalb Jahre nach seiner Auslieferung aus Bolivien, wurde Barbie an einem Schauplatz seiner Verbrechen, in Lyon, vor Gericht gestellt. Ungerührt nahm er das Urteil "Lebenslänglich" entgegen. "Ich habe den Widerstand bekämpft", erklärte der dann 73-jährige intelligente Folter-Experte. "Das war der Krieg."

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