Klamme Unternehmenschefin:Wir sammeln für Frau Schaeffler!

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Die Superkrise wird die Welt verändern. Schon jetzt sind die ersten Anzeichen zu beobachten.

Dieter Degler

In der vergangenen Woche war ich für ein paar Tage in New York - unter anderem um zu erfahren, wie sich die Superkrise dort anfühlt, wo sie schon etwas weiter gereift ist. Die Läden auf der 5th Avenue sind ziemlich menschenleer, obgleich der durchschnittliche Discount auf Waren fast aller Art mittlerweile bei 80 Prozent liegt - beste Zeiten für Schnäppchenjäger.

Unternehmerin Maria-Elisabeth Schaeffler. (Foto: Foto: AP)

Die Morgennachrichten beginnen regelmäßig mit den job cuts, den Entlassungen des Tages. Am Montag hieß es 20.000 bei Caterpillar, 2000 bei General Motors, 8000 bei Sprint und noch viele Tausend bei anderen Unternehmen. Die Arbeitslosenquote, die vor einem Jahr bei 4,9 Prozent lag, steht jetzt in manchen Bundesstaaten bei mehr als zehn Prozent, Tendenz schneller steigend. Ein stramm republikanisch gesinnter Immobilienmakler von der Westküste sagte mir, die Häuserpreise fielen ins Bodenlose, er sei jetzt für "soft socialism".

Präsident Barack Obama, der an einem politischen Gesamtkunstwerk arbeitet - die Wirtschaft mit mehr als 800 Milliarden Dollar zu stabilisieren, den freien Fall der Beschäftigungsquote abzumildern und den sozialen Frieden im Land zu retten -, legte gerade öffentlich die auch hierzulande populäre Platte von der Kürzung der Bonuszahlungen für Investmentbanker auf.

Da gibt es mittlerweile auch in der Hochburg des Kapitalismus keinen Widerspruch - dachte ich. Aber der Bürgermeister von New York belehrte mich: Das sei nun mal - gesellschaftlicher Konsens hin, social divide her - genau das Falsche, entgegnete Michael Bloomberg. Der Stadt New York entgingen durch die bereits gesenkten Boni schon jetzt Steuereinnahmen in Höhe mehrerer hundert Millionen Dollar.

Es ändert sich gerade etwas in der Welt, nicht nur jenseits des Atlantiks. Als ich nach Deutschland zurückkam, lächelte mich aus meiner Lieblingszeitung eine in Pelz gewandete Dame mit einer Mimik an, wie sie in anderen Fällen nur begnadeten medizinischen Gestaltern gelingt: Die listige Witwe Maria-Elisabeth Schaeffler, die kürzlich erst mit hohem Kraft- und Kapitaleinsatz den Autozulieferer Conti unfreundlich übernommen hat.

Darunter stand zu lesen, dass der Betriebsrat - also die Vertreter jener Menschen, die den immensen Reichtum der Schaefflers erarbeitet haben - die Regierung dringend bitte, ihrer Frau Eigentümerin doch zu helfen, die letztes Jahr von Forbes auf ein Vermögen von 5,37 Milliarden Euro taxiert worden war. Ich dachte erst, das sei eine Ente - aber die Sache stimmt, und man glaubt es nicht: Die Bitte wird tatsächlich an höchsten Orten geprüft.

Sind alle verrückt geworden? Konservative mutieren zu Stamokaplern, für Reiche wird gesammelt. Es stimmt offenbar nicht mehr, dass Unternehmer für ihr Handeln haften. Wenn es um eine Bank geht oder wenigstens ein Großunternehmen, gilt neuerdings: Steuerzahler haften für die Fehler ihrer Arbeitgeber.

Die drei kleineren Autozulieferer TMD, Tedrive (beide im Dezember) und Edscha (diese Woche) mussten Insolvenz anmelden - Frau Schaeffler aber soll geholfen werden. Und für das erste Geldhaus, das den Begriff Bad Bank auch ohne Ausgründung voll ausfüllt, die berüchtigte Hypo Real Estate, wird im Affentempo ein Gesetz geschaffen, das die Verstaatlichung der heruntergewirtschafteten Bank ermöglichen soll.

Dann werden wieder jene Profis zuständig sein, die auch bei der IKB, der KfW und bei den Landesbanken so segensreich gewirkt haben.

Wenn es so weitergeht, ist es wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Hartz-IV-Empfänger für die Rettung der Deutschen Bank demonstrieren, Susanne Klatten die Erstattung des ihr abgepressten Geldes von der Bundesregierung einfordert und die Mitarbeiter der Telekom die Wiederverstaatlichung ihres Unternehmens fordern.

Frau Merkel, Herr Steinbrück: Sie machen das wirklich prima!

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