Süddeutsche Zeitung

Klamme Kommunen:Sparen unmöglich

Schwarz-Gelb plant, die Gewerbesteuer abzuschaffen - ein milliardenschweres Geschenk an die Wirtschaft. Doch: Woher soll das Geld für die Kommunen sonst kommen?

Joachim Käppner

In diesen Wochen hat mancher Kämmerer einmal den worst case durchgerechnet, den schlimmsten aller Fälle. Dann würde die Kommune alle Ausgaben streichen, die sie streichen darf, bis auf den letzten Cent. Sie würde nichts investieren in die Kinderbetreuung, keinen Zuschuss zahlen an die Sportvereine, kein Schlagloch mehr stopfen lassen.

Das Theater würde geschlossen und das Schwimmbad. Wenn der Kämmerer dann einen dicken Strich unter seine Sparliste zieht und rechnet, kommen heraus: rote Zahlen, noch immer.

Das Sparpotenzial bis über die Schmerzgrenze ausgereizt

Das ist kein Horrorszenario, das ist Realität. Die Zahl der Kommunen, die aus eigener Kraft nicht mehr aus der Krise kommen, wächst ständig. Die beliebte Kritik an Kommunalpolitikern, sie sollten erst mal sparen lernen und keine überflüssigen Verkehrskreisel bauen, bevor sie über Geldnot klagen, ist oft leeres Gerede.

Denn die meisten Kommunen haben ihr Sparpotenzial bis über die Schmerzgrenze hinaus ausgereizt und stehen dennoch vor einem Rekorddefizit.

Die Koalition in Berlin will helfen, und zwar durch die Abschaffung der Gewerbesteuer. Sie will den Städten ihre wichtigste Einnahmequelle nehmen und diese durch Luftbuchungen ersetzen.

Das ist so sinnvoll, als ob man einen Ertrinkenden aus einem Fluss mit Krokodilen ziehen und dann hungrigen Löwen vorsetzen würde. Kein Stadtoberhaupt der Republik, ob die Kommune nun klein oder groß ist, rot oder pechschwarz regiert wird, will so "gerettet" werden.

Da die Bundesregierung nun so vernünftig war, weitere Steuersenkungen auszuschließen, sollte sie auch das Projekt Abschaffung der Gewerbesteuer beenden.

Es wäre nichts als ein milliardenschweres Geschenk an die Wirtschaft, ohne dass die Frage seriös beantwortet wäre: Woher soll das Geld denn sonst kommen? Wer hat 30 Milliarden Euro oder mehr übrig, die den Städten dann zusätzlich fehlen würden?

Es ist leicht, auf Kosten anderer liberal zu sein. Statt sich auf steuerpolitische Abenteuer einzulassen, die vor allem auf ideologische Fixierungen der FDP zurückzuführen sind, müssten Bund, Länder und Kommunen etwas ganz anderes tun: alle Ausgaben, zu denen die Städte von Bund und Ländern gezwungen werden, überprüfen.

Und sie müssten für eine ordentliche Gegenfinanzierung sorgen, wenn, zum Beispiel durch den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, weitere Milliardenkosten auf die Rathäuser zukommen. Man kann nur Geld ausgeben, das man hat.

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Quelle:
SZ vom 15. 05. 2010/odg
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