Klage wegen US-Basis Ramstein:Ein Mann gegen die Drohnen

US-Airbase Ramstein

Die US-Basis Ramstein in der Pfalz (Archivbild).

(Foto: picture alliance / dpa)

Wenn die Nachbarn Kampfroboter haben: Ein Pfälzer will den Drohnenkrieg lahmlegen, in dem die US-Basis Ramstein bei Kaiserslautern eine entscheidende Rolle spielt. Vor Gericht geht es auch darum, was die transatlantische Freundschaft wert ist.

Von Jannis Brühl, Münster

Wolfgang Jung ist ein treuer Beamter, auch nach seiner Pensionierung. Deshalb fühlt er sich verpflichtet, die Drohnen vom Himmel zu holen. Der 76-Jährige mit dem grauen Vollbart sitzt im Sitzungssaal II des Oberverwaltungsgerichts Münster, blickt ernst durch seine Brille und sagt: "Ich bin an einen Eid gebunden, der mich verpflichtet, die Verfassung zu schützen." Mit einer Klage gegen das Bundesverteidigungsministerium will der ehemalige Lehrer die deutsche Regierung zwingen, die amerikanischen Kampfdrohnen zu überwachen, deren Flugleitzentrale in Rheinland-Pfalz liegt - oder die Koordination der unbemannten, tödlichen Flieger in Ramstein gleich ganz zu verbieten.

Drohnen haben Tausende Menschen in Somalia, Jemen, Afghanistan und Pakistan getötet, bei vielen der Opfer ist unklar, ob sie überhaupt Feinde der USA waren. Über den Stützpunkt Ramstein laufen Daten und Bilder, die Drohnen in ihren Einsatzgebieten sammeln. Sie werden in Ramstein analysiert und über ein Glasfaserkabel in die USA weitergeleitet, ergaben Recherchen von SZ und NDR im Frühjahr. Die Regierung hatte darauf beharrt, bis dahin nichts vom Drohnenkrieg vom deutschen Boden aus gewusst zu haben. Besonders in Drohnenangriffe in Somalia sind die deutschen Basen Ramstein und Stuttgart eigebunden. Drohnenpiloten selbst saßen in der Testphase der Maschinen in Ramstein.

In dem Saal, in dem Jung nun sitzt, wurde eben noch gestritten, ob in Kölner Kneipen E-Zigaretten geraucht werden dürfen, jetzt will er hier die Weltpolitik verändern. Für ihn steht auch die deutsch-amerikanische Freundschaft in ihrer bisherigen Form vor Gericht.

Die Basis in Ramstein prägt Jungs Leben. Als Student verdiente er sich dort als Hilfsarbeiter Geld dazu. Er sah schon damals, dass mit der Basis etwas nicht stimmt: "Wir mussten Risse in der Landebahn mit Teer kitten." Jung sagt, die Risse kämen von dem Grundwasserreservoir, auf dem die Basis gebaut sei. In seinen Augen steht sie auch juristisch auf wackeligem Grund.

Heute ist Jung ganz nah dran am Drohnenkrieg. Er stammt aus Miesenbach, einem Teil von Ramstein in Rheinland-Pfalz. Außer einer der größten Luftwaffenbasen der Welt liegen in der Gegend ein großes Munitionslager und das Militärhospital Landstuhl, in dem Verletzte aus Amerikas Kriegen behandelt werden. "Sie müssen das gesehen haben, wie die Transporter mit den Waffen oder den Verwundeten durch die Stadt brettern", sagt Jung. Er wohnt mit seiner Frau in einem Reihenhäuschen in Kaiserslautern, zwölf Kilometer von der Basis entfernt - in der Einflugschneise der Transportflugzeuge, die Waffen und Soldaten von der Basis wegfliegen. Er arrangiert sich nicht mit dem Stützpunkt wie seine Nachbarn, er leistet Widerstand. Mit seiner Webseite, auf der er Informationen über die Basis veröffentlicht; mit seinen Übersetzungen aus US-Militärzeitschriften und völkerrechtlichen Abhandlungen, die viele Kaiserslauterer sonst nie lesen könnten; und jetzt mit seiner Klage.

Jungs Anwälte argumentieren, Artikel 25 des Grundgesetzes erlaube ihrem Mandanten, gegen Völkerrechtsverstöße zu klagen. Und das sei der Drohnenkrieg ganz offensichtlich: Die US-Armee tötet in Afghanistan, Pakistan, Jemen und Somalia mit Drohnen Terrorverdächtige, ohne Prozess und meist ohne Gefahr in Verzug, die US-Truppen drohen könnte. Um Ziele zu finden, helfen auch die Daten, die über den Knotenpunkt Ramstein laufen. Die Raketen der Maschinen erwischen die Menschen oft in Privathäusern, immer wieder sterben Zivilisten dabei. Jung will erreichen, dass das Ministerium ihm Auskünfte über die Drohnenflüge erteilt und den US-Soldaten, die Maschinen von Ramstein aus überwachen, deutsche Beamte zur Seite stellt. Wenn das nicht funktioniere, müsse sie den Drohneneinsatz von Ramstein aus ganz verbieten.

Das Gericht in Münster muss entscheiden, ob die Klage zulässig ist. Denn die vorige Instanz, das Kölner Verwaltungsgericht, hat entschieden, dass Jung gar nicht als Betroffener gelten könne und also gar nicht klagen dürfe. Zudem geht es um die Frage, ob das Grundgesetz überhaupt Einzelpersonen erlaube, Völkerrecht einzuklagen, oder nur Staaten.

Herr Jung mag Jeans und Jazz

Jung ist bundesrepublikanische Friedensbewegung, erste Generation: "Ich war immer gegen den Krieg." Den Zweiten Weltkrieg erlebte er als Kind, er verlor den Vater. Jung protestierte gegen die Nachrüstung und nun gegen den Anti-Terror-Krieg.

Die Bundesregierung, die zwei Juristinnen geschickt hat, will möglichst wenig Ärger, denn sie muss lavieren: Einerseits will sie nicht gegen Völkerrecht verstoßen, andererseits nicht den großen Verbündeten verprellen. Also bleibt aus ihrer Sicht besser alles, wie es ist. Und der Drohnenkrieg läuft weiter über Deutschland.

Es geht in dem Verfahren nicht nur um juristische Fragen nach dem Verhältnis von Völkerrecht und nationalem Recht. Es geht auch um das Verhältnis von Deutschen und Amerikanern: Ist die transatlantische Freundschaft wirklich nur Freundschaft, oder auch Machtverhältnis? Jungs Anwalt Peter Becker findet harte Worte: Nach Besatzung und begrenzter Souveränität habe sich in Deutschland eine Kultur entwickelt, zu der "eine gewisse Servilität gegenüber den Amerikanern" gehöre. Sein Kollege Otto Jäckel fügt hinzu: "Wir befinden uns in einem schwierigen Ablösungsprozess zur Gewinnung nationaler Souveränität."

Hier im Gerichtssaal in Münster kommt es zusammen, das Misstrauen, dass sich gegen die Besieger der Nazis aufgestaut hat: Wegen der Überwachung durch die NSA, wegen des Drohnenkriegs - aber in der Friedensbewegung war es schon immer da, spätestens seit den Protesten gegen Vietnam. Auch damals hat Jung schon mitdemonstriert. Im Gerichtssaal an diesem Dienstag muss ihn seine Frau von der Publikumsbank mit einem "Pscht!" zur Ruhe rufen, weil er etwas zu aufgebracht vor einem neuen Krieg in Deutschland warnt.

Es hilft nichts. Am Ende entscheiden die Richter: Jungs Klage ist nicht zulässig. Er dürfe seine Auffassung des Völkerrechts vor Gericht nicht durchzusetzen. Denn als einzelner Bürger sei er nicht persönlich betroffen - auch wenn er argumentiert hat, ein Angriff auf die Basis im Kriegsfall gefährde ihn direkt. Seine Anwälte wollen in Berufung gehen.

Antiamerikanisch will Jung nicht sein. Seine Nachbarn seien schließlich Basis-Angestellte. Jeans und Jazz, das sind die positiven Dinge, die ihm zu Amerika einfallen. Dort war er noch nie. Aber Amerika ist ja auch zu ihm gekommen, in seine Nachbarschaft.

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