Klimaschutz:Die Beweisaufnahme beginnt

Trockener Boden

Auch am Rhein ist der Klimawandel spürbar.

(Foto: dpa)

Diesmal sind die Kläger noch gescheitert, doch das war erst der Anfang: Die Einhaltung der Klimaziele wird ein Fall für die Gerichte.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Auch die Justiz ist ein Teil der Gesellschaft. So gesehen zeigt der Umgang deutscher Richter mit den Folgen des Klimawandels, wie sich der Diskurs hierzulande binnen zwei Jahren verändert hat. Und es ist erst der Anfang.

Vor dem Verwaltungsgericht Berlin haben drei Bauernfamilien diese Woche erstreiten wollen, dass die Bundesregierung das Klimaziel für 2020 einhält. Das Gericht hat die Klage zwar abgewiesen. Doch bemerkenswert bleibt, dass und wie diese Entscheidung gefallen ist. Die Richter hätten die Klage schon vorher abbügeln können; sie haben aber darüber verhandelt. In dieser Verhandlung hätten sie es dabei belassen können, die Unzulässigkeit der Klage festzustellen. Stattdessen wiesen sie explizit darauf hin, dass der Staat geeignete "Vorkehrungen zum Schutz der Grundrechte" treffen müsse. Damit bauten sie eine Brücke zwischen Grundrechten und Klimawandel, deren Tragfähigkeit Kläger künftig austesten können - egal, ob es um körperliche Unversehrtheit oder den Schutz des Eigentums geht, wie bei den Bauern.

Wer das Klima nicht schützt, schützt auch den Menschen nicht: Die Beweisaufnahme in dieser Sache hat begonnen. So wie auch im Falle des peruanischen Kleinbauern, der den RWE-Konzern verklagt hat. Als größter Kohlendioxid-Emittent Europas trage RWE auch Mitschuld an der Zerstörung seiner Heimat in den Anden. Eine durch die Gletscherschmelze wachsende Lagune bedroht dort den Heimatort des Bauern. Auch hier sind Richter in das Verfahren eingestiegen, die Beweisaufnahme läuft. Ein peruanischer Bauer, der vor deutschen Gerichten Abhilfe erstreiten will; ein Gericht, das diese Klage zulässt - vor wenigen Jahren noch wäre das alles kaum denkbar gewesen.

Fälle wie diese nehmen dem Klimawandel alles Abstrakte. Schmelzende Andengletscher, oder der schwarzfleckige Apfel, den einer der klagenden Bauern vor dem Verwaltungsgericht in Berlin vorzeigte: Sie machen konkrete Folgen der Erderhitzung greifbar, mit denen es auch die Politik künftig vermehrt zu tun bekommen wird - jenseits der scheinbaren Sachzwänge und kurzfristigen Interessen, die so oft wirksame Klimapolitik vereiteln.

Die Kläger fordern nicht viel: Der Staat soll tun, was er verspricht

Der juristische Druck auf die Politik wird wachsen. Nicht nur, weil die Argumente der Geschädigten greifbarer werden, sondern auch durch das Handeln der Regierung selbst, die mit neuen Gesetzen endlich aus der Klimaschutz-Defensive gelangen will. Dafür dürfte schon das Klimaschutzgesetz sorgen, das die Koalition auf den Weg gebracht hat. Noch diesen Monat soll es den Bundestag passieren. Wird es dort nicht abgeschwächt, dann liefert es viele neue Vorgaben, deren Einhaltung sich vor Gericht überprüfen lässt - von der Festschreibung nationaler Klimaziele bis hin zu der Pflicht, diese auch in jedem einzelnen Bereich einzuhalten. Regierungen, die an diesen Vorgaben scheitern (und allein im Verkehr ist das schon jetzt absehbar), finden sich künftig auf der Anklagebank wieder.

Ihre Verteidigung wird schwer. Die Kläger nämlich verlangen vom Staat nicht viel: Er soll tun, was er verspricht. Er soll Umwelt-Grenzwerte und Klimaziele nicht nur aufstellen, sondern auch auf deren Erfüllung hinarbeiten. Selbstverständlichkeiten, eigentlich. Aber die Beweisaufnahme dürfte, Stand jetzt, nur bescheidene Belege zutage fördern.

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