Kita-Streik:Die Solidarität bröckelt

Streik im Sozial- und Erziehungsdienst

Eine Erzieherinnen-Demo in Lüneburg - es gibt aber auch Gegenprotest.

(Foto: Philipp Schulze/dpa)

Erzieherinnen und Sozialarbeiter bleiben auch über Pfingsten hinaus im Ausstand. Nach Wochen des Wohlwollens stoßen immer mehr Eltern an ihre Grenzen.

Von Ulrike Heidenreich

Der Streik der Erzieherinnen und Sozialarbeiter geht auch über Pfingsten hinaus weiter. Unbegrenzt sollen Kindertagesstätten und soziale Einrichtungen geschlossen bleiben. Darauf hat sich am Mittwoch die bundesweite Streikdelegiertenkonferenz der Gewerkschaft Verdi in Fulda geeinigt. Die Frage, welche Bundesländer betroffen sind, klärt sich an diesem Donnerstag. Die Frage aber, wie Eltern und Kinder mit dieser Ungewissheit umgehen, wie sie noch länger improvisieren und organisieren sollen, bleibt offen. Eines wird deutlich: Nach Wochen des Wohlwollens für die Forderungen der Beschäftigen in sozialen Berufen kippt die Stimmung bei Eltern langsam um. Sie machen berufliche Nachteile für sich geltend, fordern den Einsatz von Schlichtern.

Das Treffen der 330 Delegierten in Fulda ging mit großer Verspätung los - wegen eines anderen Streiks, dem der Lokführer. Die Verdi-Mitglieder reisten mit dem Auto an und standen dann im Stau. Am Nachmittag kündigte Verdi-Chef Franz Bsirske an: "Dieser Streik wird fortgesetzt, unbefristet, bis ein annehmbares Ergebnis vorliegt." Die Gewerkschaften fordern eine bessere Eingruppierung für 240 000 Erzieher und Sozialarbeiter, dies würde im Schnitt zu einer Gehaltserhöhung von zehn Prozent führen. Das ist aus Sicht der Arbeitgeber nicht bezahlbar. Ein neuer Verhandlungstermin ist nicht absehbar. Der Streik geht bereits in die zweite Woche. Auch Einrichtungen der Behindertenhilfe blieben geschlossen. Der Verdi-Bezirk Bayern wird bis Donnerstagmittag bekannt geben, wie es weitergeht.

Während die Gewerkschaften immer noch vom Rückhalt der Eltern sprechen, wird der Protest dort aber lauter. Sie fordern schnellstens eine Einigung von den Tarifpartnern. In Lübeck versammelten sich Eltern und Kinder vor dem Rathaus mit Trillerpfeifen. "Der Streik stellt viele Eltern vor kaum lösbare Probleme. Wer seine Kinder nicht bei Verwandten unterbringen oder mit zur Arbeit nehmen kann, muss Urlaub nehmen", sagte eine Sprecherin der Stadtelternvertretung.

Auch in Städten wie München bilden Väter und Mütter Initiativen und appellieren an Erzieherinnen: "Bei anfänglichem Verständnis ist mittlerweile jegliche Solidarität aufgebraucht", heißt es, und: "Wollen Sie Ihr Kind bei fremden Betreuern in einem Notplatz wissen?" Hochschullehrer Felix Kolbeck spitzt den Ärger seiner Mitstreiter so zu: "In einzelnen Bundesländern wird der Streik nur ausgesetzt, damit Erzieherinnen, die selbst Kinder haben, Urlaub nehmen können. Danach geht der Streik auf Kosten der Urlaubstage der Eltern weiter." Ute Fendt, Mutter von drei Kindern, hält den Streik für kontraproduktiv: "Die berufstätige Frau wird in ihrem Standing zusätzlich geschwächt, da sie wieder mal durch Abwesenheit im Büro auffällt."

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