Kirchenasyl:Sechs statt 18 Monate

Die evangelische Kirche fordert vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Regeln fürs Kirchenasyl wieder zu lockern. Das hatte ihm zuvor indirekt auch das Leipziger Bundesverwaltungsgericht nahegelegt. Bisher allerdings ohne Wirkung.

Von Nina von Hardenberg

Die evangelische Kirche hat das Bundesamt für Asyl und Flüchtlinge (Bamf) aufgefordert, die verschärften Regeln für das Kirchenasyl zurückzunehmen. Das Amt dürfe die Fristen für die Abschiebung nicht mehr auf 18 Monate verlängern, nur weil Flüchtlinge in einer Kirche Schutz vor Abschiebung suchten. "Wir bitten das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, zu der ursprünglichen Frist von sechs Monaten zurückzukehren", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm.

Der Ratsvorsitzende verwies dabei auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Juni. Die Leipziger Richter hatten darin beschieden, dass, wer in einer Kirche Schutz vor Abschiebung sucht, nicht "flüchtig" sei. Genau damit aber hatte das Bamf die verlängerte Abschiebefrist bei Kirchenasyl begründet. Das Bamf hat seine Praxis offenbar bis lang nicht geändert. Vielmehr wurde nach Kircheninformationen in Berlin gerade wieder eine 18-Monatsfrist verhängt. Wie sie mit dem Urteil umgehen will, ließ die Behörde offen. Das Bundesamt prüfe aktuell zusammen mit dem Bundesministerium, welche Handlungsbedarfe sich für den Bund ergäben, hieß es in einer Stellungnahme.

Für die Flüchtlingshilfe der Kirchen ist das Urteil von enormer Bedeutung. Den Schutz von Menschen in Lebensgefahr begreifen sie als ihren Auftrag. Sie nehmen deshalb seit vielen Jahren Flüchtlinge in besonderen Härtesituationen für befristete Zeit in ihren Räumen auf. Die weitaus meisten Kirchenasyle wollen dabei erreichen, dass Menschen ihr Asylverfahren in Deutschland bestehen dürfen, und nicht zum Beispiel in überlastete EU-Staaten wie Italien oder Griechenland zurücküberstellt werden. Der Trick dabei: Gelingt es Deutschland nicht, die Flüchtlinge innerhalb von sechs Monaten in die eigentlich für das Verfahren zuständigen Länder zurückzuschicken, wird es nach den Dublin-Regeln selbst für sie zuständig.

2018 jedoch entschied die deutsche Innenministerkonferenz, die Überstellungsfrist bei Kirchenasyl auf 18 Monate auszudehnen. Flüchtlinge im Kirchenasyl seien "flüchtig" argumentierten sie. Dem haben die Richter nun widersprochen. Als "flüchtig" könne nur eine Person betrachtet werden, die ihre Wohnung verlasse, ohne die zuständigen Behörden darüber zu informieren. Die Kirchen aber setzen die Behörden stets in Kenntnis.

Wegen der langen Fristen ist die Zahl der Kirchenasyle zurückgegangen. Derzeit sind nach Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche zwischen 400 und 450 Personen im Kirchenasyl. Ende 2018 waren es noch 880. Viele Gemeinden meldeten, dass Kirchenasyl kaum mehr zu stemmen sei, so Bedford-Strohm, Helfer kämen an ihre Grenzen. Vor allem aber sei es für die Betroffen selbst eine große Belastung, so lange im Gemeindehaus auszuharren.

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