Kirche zu Rüstungsexporten:"Mangelnde Transparenz ist skandalös"

Scharfe Kritik der Kirchen: Rüstungsexporte und -bürgschaften des Bundes steigen dramatisch. Genaue Zahlen gibt es nicht - obwohl Exporte in unsichere Länder wie Irak und Pakistan gehen.

Stefan Braun

In ungewöhnlich scharfer Form haben die Kirchen in Deutschland das deutsche Verhalten bei Rüstungsexporten angeprangert. Bei der jährlichen Vorlage des sogenannten Rüstungsexportberichts beklagten Vertreter der evangelischen wie der katholischen Kirche, dass die Bundesregierung bis in den Dezember 2010 nicht in der Lage gewesen sei, die offiziellen Zahlen über die Rüstungsexporte im Jahr 2009 vorzulegen. Der Prälat der katholischen Kirche, Karl Jüsten, sprach von einem "skandalösen Verhalten". Sein Kollege von der evangelischen Kirche, Bernhard Felmberg, kritisierte, dass das Parlament die Regierung bis heute nicht angemessen kontrolliere.

Waffen von Heckler & Koch

Nicht nur beim großen Gerät steigt das Volumen der deutschen Rüstungsexporte - auch bei Kleinwaffen, hier Polizeipistolen vom Typ P2000 des deutschen Waffenherstellers Heckler & Koch.

(Foto: dpa)

Doch auch ohne Zahlen der Regierung legten die beiden Kirchen, unterstützt vom Hessischen Institut für Friedens- und Konfliktforschung, einen Bericht vor. Als Quellen zogen sie amerikanische Studien und parlamentarische Anfragen der Grünen und der Linkspartei heran. Die Daten zeigen laut Jüsten unter anderem, dass die deutschen Rüstungstransfers im Jahr 2009 gegenüber dem Jahr 2008 leicht rückläufig waren. 2008 beliefen sie sich auf einen Gesamtwert von 2,9 Milliarden Euro, ein Jahr später waren es 2,8 Milliarden.

Schaut man auf die Neuverträge, dann muss man jedoch mit einem starken Anwachsen rechnen. Die Summe aller Neuverträge belief sich 2008 auf gut eine Milliarde Euro, 2009 lag der Wert schon bei 3,7 Milliarden. Ähnlich gravierend stieg die Zahl der Hermes-Kreditbürgschaften für Rüstungsexporte. Im Jahr 2008 waren es 21 Millionen, ein Jahr später stieg der Wert auf 1,9 Milliarden Euro.

Besondere Kritik übte Jüsten an Bürgschaften für Exporte in Länder wie Irak und Pakistan. Jüsten verlangte einen Verzicht auf Bürgschaften. "Damit wird das Geschäftsrisiko von rüstungsexportierenden Firmen zu Lasten des Steuerzahlers reduziert", beklagte er. Dies komme einer Subventionierung der Rüstungsexporte gleich.

Herbe Kritik am Geschäft mit Kleinwaffen übte der evangelische Prälat Felmberg. Auch hier lasse die Regierung zu viel Handel zu und lasse bei der Vergabe von Lizenzen für den Nachbau deutscher Kleinwaffen im Ausland jede Transparenz vermissen. Das sei "nicht akzeptabel", so Felmberg. Bernhard Foltmann vom Hessischen Institut für Friedens- und Konfliktforschung rügte, dass die Rüstungsindustrie immer vernetzter sei und zunehmend geschickter agiere.

Er verwies darauf, dass arabische Investoren beim deutschen Marine-Schiffsbau eingestiegen seien und der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS seinen gesamten Rüstungsbereich in "Cassidian" umbenannt habe - einen Namen, hinter dem kaum jemand Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber vermute. Zufrieden waren Jüsten und Felmberg am Montag nur mit einem: Die SPD versprach ihnen, sich künftig stärker in ihrem Sinne zu engagieren.

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