Süddeutsche Zeitung

Katholizismus:"Die Kirche ist in der Tat keine Demokratie"

Papst Franziskus erfindet die Synode neu: Geistliche und Laien aus 4000 Bistümern diskutieren ab jetzt über drängende Probleme wie sexuellen Missbrauch. Ein Umsturz ist das aber nicht.

Von Oliver Meiler und Annette Zoch, München, Rom

Franziskus schickt seine Kirche auf eine lange Reise, mit Stufen und Etappen, wie sie das in ihrer Geschichte noch nicht erlebt hat. Zwei Jahre soll der synodale Weg der katholischen Weltkirche dauern, die Weltsynode also. Sie beginnt an diesem Samstag mit einem Workshop in der Synodenhalle im Vatikan und am Sonntag mit einer Messe des Papstes im Petersdom. Potenziell sind auf dem langen Weg alle eingeladen: 4000 Bistümer mit 1,3 Milliarden Gläubigen.

Synoden, beratende Versammlungen also, gibt es seit 1965, als Bischofssynoden, auf denen sich der Papst von ausgewählten Bischöfen beraten lässt. Franziskus erfindet sie nun neu: Diesmal nehmen Geistliche und Laien teil, außerdem soll die Beratung die ganze Welt umspannen. In der ersten Phase, die sechs Monate dauert und in einer Woche startet, werden die Ortskirchen in ihren jeweiligen Heimatländern diskutieren.

Nach den lokalen Beratungen werden die Erkenntnisse aus allen Diözesen gesammelt, zusammengefasst und der nächsthöheren Stufe übergeben. Dann wird auf Kontinentalebene diskutiert, ebenfalls sechs Monate lang. Das Synodensekretariat leitet anschließend aus allem Material ein Arbeitspapier ab, das im Oktober 2023 in Rom der abschließenden Bischofssynode als Grundlage dient. Nach dieser Versammlung mit seinen Bischöfen wird der Papst ein Apostolisches Schreiben formulieren. Das kann einige Monate dauern - und dort steht dann, was Sache ist.

Dass sich die Weltsynode mit bereits laufenden nationalen "Projekten", wie der Leiter des Synodensekretariats, Kardinal Mario Grech aus Malta, sie etwas unglücklich nannte, überlappt und womöglich kreuzt, ist anscheinend gewollt. Auf das deutsche "Projekt", den dort schon seit Dezember 2019 beschrittenen synodalen Weg, schaut man in Rom dennoch mit Argwohn: Wird man die womöglich etwas zu pluralistisch gesinnten Deutschen einfangen müssen? Man sei bereit, die nationalen Wege "zu vernetzen", sagte Grech immerhin.

Der französische Missbrauchsbericht war eine weitere Erschütterung

Jorge Mario Bergoglio geht es bei dieser Weltsynode nach eigenen Worten nicht darum, bestimmte Themen zu vertiefen. Vielmehr setzt der Papst darauf, beim Zusammensein in der Kirche einen neuen Stil einzuüben. Es geht ihm mehr um eine neue Mentalität als um neue Strukturen. "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe, Sendung" lautet das Motto.

Die vorbereitenden Dokumente, die auf dem Weg leiten sollen, enthalten nur sehr schematische Themenvorschläge. Eines nimmt die Diskussionen über den Umgang mit Missbrauchsskandalen auf, die in Deutschland, Irland und Australien zu "nationalen Projekten" geführt haben. Die Kirche müsse sich "der Last einer Kultur bewusst werden, die von Klerikalismus gekennzeichnet ist", heißt es darin. Es gebe "Formen von Autorität, aus denen verschiedene Arten des Missbrauchs entspringen können".

Das Thema sexueller Missbrauch lässt die Weltkirche nicht los. Erst in der vergangenen Woche hat ein Bericht aus Frankreich die Menschen erschüttert: 216 000 Kinder und Jugendliche seien seit 1950 Opfer sexueller Gewalt durch Priester und Ordensleute geworden, schätzt eine Unabhängige Untersuchungskommission. Er empfinde Scham, sagte Franziskus nach der Veröffentlichung, "Scham, über die viel zu lang andauernde Unfähigkeit der Kirche", die Betroffenen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen.

Auch Kardinal Seán Patrick O'Malley, Präsident der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen und Erzbischof von Boston, bat "demütig um Vergebung". Er erklärte: "Wir haben noch einen langen Weg vor uns, um den Missbrauch in unserer Kirche und in der Gesellschaft insgesamt zu bekämpfen. Wir werden nicht müde werden, diesen Weg zu gehen."

"Die Kirche ist in der Tat keine Demokratie"

Allerdings: Eine Weltsynode sei kein Kirchenparlament, betonte Kardinal Grech. Am Ende entscheidet immer der Papst in seiner Rolle als absoluter Monarch. Hegen manche vielleicht Hoffnungen, die dem widerstreben? "Die Kirche ist in der Tat keine Demokratie, sondern sie ist bischöflich verfasst, mit dem Papst an der Spitze", sagt der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing dem Bayerischen Rundfunk. Einerseits.

Andererseits plädiert Bätzing für "viel mehr demokratische Prozesse". Das sei mit der hierarchischen Struktur der Kirche durchaus vereinbar. "Es schadet nicht! Es kann nur nützen, ganz viele Menschen, Gläubige aller Ebenen und aller Nationalitäten einzubeziehen", appelliert Bätzing an das Verständnis. Er denkt wohl an den erschreckenden französischen Missbrauchsbericht, als er außerdem sagt: "Wer jetzt noch sagt, die Kirche hat kein systemisches Problem, der ist blind."

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