Was macht eigentlich Benedikt XVI., der sich vor bald sechs Jahren zurückzog vom Papstamt und versprach, sich für den Rest seines Lebens in Stille und Gebet zurückzuziehen? Nun, der Mann ist mittlerweile 91 Jahre alt und körperlich gebrechlich. Sein Geist allerdings ist wach, und mit dem Schweigeversprechen nimmt er es nicht immer genau - vor allem, wenn es darum geht, sein Bild in der Öffentlichkeit zurechtzurücken. Jetzt ist es wieder mal so weit. In der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift Herder-Korrespondenz findet sich diesen Montag ein Text von ihm. Er zeigt: Der Papa emeritus hat sich mächtig geärgert, über den katholischen Theologieprofessor Michael Böhnke aus Wuppertal. Der hatte Benedikt ein problematisches Verständnis zum Judentum vorgeworfen. Und das will nun der Ex-Papst nicht auf sich sitzen lassen.
Der Streit geht zurück auf einen Aufsatz, den Benedikt im Juli für die Theologen-Zeitschrift Communio geschrieben hat - letztlich aber auf das Jahr 2007. Damals erlaubte Papst Benedikt XVI. traditionalistischen Gruppen, die Messe wieder im tridentinischen Ritus zu feiern, wie vor dem Zweiten Vatikanische Konzil. Dabei aber tauchte ein Problem auf: Vor dem Konzil, bis zur Reform der Liturgie, beteten die Gottesdienstbesucher jeden Karfreitag für die Bekehrung der "treulosen Juden". Sollte dies jetzt wieder gebetet werden? Lateinkundig, wie Benedikt ist, schrieb er eine eigene Karfreitagsbitte für die Juden "auf dass Gott, unser Herr, ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen".
Die Juden sollen sich zu Christus bekehren? Ein Sturm der Entrüstung erhob sich. Die große Mehrheit der katholischen Bischöfe und Theologen hält eine Judenmission nach dem Holocaust für unstatthaft. Wollte Benedikt das infrage stellen? Mit einiger Mühe erklärte damals der Papst, dass dem nicht so sei; seinem Ansehen fügte der Streit aber einige Kratzer zu. Mit dem Communio-Beitrag im Juli empörte er erneut viele. Benedikt vertrat dort die Auffassung, die katholische Kirche habe nie gelehrt, dass der alte Bund Gottes mit den Juden durch Christus abgelöst worden sei. Das ist, schaut man auf die lange Tradition christlicher Abwertung des Judentums, eine gewagte These. Der Berliner Rabbiner Walter Homolka warf Benedikt vor, "christliche Identität auf Kosten der jüdischen formuliert" zu haben. Und Professor Böhnke schrieb in der Herder-Korrespondenz, Benedikt verschweige "das Leiden, das Christen Juden angetan haben".
Das muss wiederum Benedikt so geärgert haben, dass er nun wieder einmal das Schweigen durchbricht - um einem Professor aus Wuppertal den Kopf zu waschen. "Was Michael Böhnke geschrieben hat, ist grotesker Unsinn und hat nichts mit dem zu tun, was ich gesagt habe"; er weise "diesen Artikel als eine in höchstem Maße unwahre Unterstellung zurück". Wichtiger als die Polemik ist jedoch, dass Benedikt in dem Text seine Haltung zur Judenmission klarstellt: "Für Israel galt und gilt daher nicht Mission, sondern der Dialog." Eine Signal an alle Befürworter einer Judenmission, die den alten Papst an ihrer Seite glaubten.