Jugendämter in Deutschland haben im vergangenen Jahr insgesamt 74 600 Kinder und Jugendliche zu deren Schutz in Obhut genommen. Das waren 8100 (zwölf Prozent) mehr als im Vorjahr. Das meldet das Statistische Bundesamt in Wiesbaden. Die Zahl der Inobhutnahmen ist demnach 2023 zum dritten Mal in Folge gestiegen und hat einen Höchststand erreicht, seit 2017 die Berechnungsmethode geändert wurde. Allerdings war der Zuwachs 2023 bei Weitem nicht so stark wie 2022, als die Zahl der Inobhutnahmen um 18 900 oder 40 Prozent nach oben ging.
Alleiniger Grund für die vergangenes Jahr erneut gestiegene Zahl war laut der Statistikbehörde die Zahl der unbegleitet eingereisten Minderjährigen aus dem Ausland. Ohne diese Fälle sei die Zahl der Inobhutnahmen 2023 sogar um 2600 oder sieben Prozent auf 35 300 Fälle gesunken, hieß es.
In einem Drittel der Fälle handelten die Ämter wegen dringender Kindeswohlgefährdung
Unbegleitete minderjährige Geflüchtete machen den Angaben zufolge mittlerweile gut die Hälfte (53 Prozent) aller Inobhutnahmen aus. Ihre Zahl summierte sich 2023 auf rund 39 300 nach 28 600 ein Jahr zuvor. Sie kamen entweder direkt nach der Einreise in eine vorläufige oder nach der bundesweiten Verteilung in die anschließende reguläre Obhut der Jugendämter. Aus welchen Ländern diese Kinder und Jugendlichen ursprünglich kommen, sei nicht bekannt, hieß es.
Dringende Kindeswohlgefährdungen waren im vergangenen Jahr in mehr als einem Drittel (36 Prozent) der Fälle Grund für die Inobhutnahme. Mehr als jede zehnte (elf Prozent) ging auf Selbstmeldungen zurück, wenn also Kinder und Jugendliche von sich aus beim Jugendamt Unterstützung suchten. Fast ein Fünftel (19 Prozent) der betroffenen Jungen und Mädchen war vor der Inobhutnahme von zu Hause ausgerissen.
Durchschnittlich habe die behördliche Maßnahme 50 Tage gedauert, doch etwa jeder dritte Fall (31 Prozent) sei in weniger als einer Woche beendet worden, teilte das Statistikamt weiter mit. Nach der Inobhutnahme sei fast ein Viertel (23 Prozent) der Jungen oder Mädchen an den bisherigen Aufenthaltsort zurückgekehrt. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Kinder oder Jugendlichen sei nach der Inobhutnahme an einem neuen Ort untergebracht worden, und zwar am häufigsten in einem Heim oder einer anderen Einrichtung – deutlich seltener dagegen in einer Familie oder in einem privaten Haushalt.
Nach dem Kinder- und Jugendhilferecht sind Jugendämter berechtigt und verpflichtet, in akuten Krisen- oder Gefahrensituationen vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (Inobhutnahmen) als sozialpädagogische Hilfe zu ergreifen. Insgesamt gibt es dem Statistischen Bundesamt zufolge 13 mögliche Anlässe für eine Inobhutnahme, darunter etwa eine Überforderung der Eltern, Hinweise auf Vernachlässigungen, Anzeichen für körperliche Misshandlungen oder Beziehungsprobleme.