Kinderschutz: "Innocence in Danger":Ärger um Spenden - für alle Fälle Stephanie

Stephanie zu Guttenberg wirbt viel Geld für "Innocence in Danger" ein und spart mit Details der Rechnungslegung. Andere Beratungsstellen ärgert der Eindruck, es gebe nur noch die Kinderschutz-Aktion der Ministerfrau.

T. Denkler

Ende September, Prototyp-Automuseum in der Hamburger Hafencity. Ein exklusiver Ort für eine exklusive Party mit den beiden begehrtesten Partygästen der Republik: Stephanie Freifrau zu Guttenberg und ihr Mann Karl-Theodor.

Innocence in Danger

Stephanie zu Guttenberg sammelt mit großem Erfolg Spendengelder für "Innocence in Danger". Aufgrund der "haltlosen Vorwürfe und verleumderischen Aussagen zur angeblich intransparenten Mittelverwendung" seitens einiger Journalisten hat die Organisation nun Strafanzeige gestellt.

(Foto: dpa)

Stephanie zu Guttenberg wird an diesem Abend Geld einsammeln. 55.000 Euro kommen zusammen.

Alles soll einem guten Zweck zugutekommen. Das Geld wird dem Kinderschutzverein "Innocence in Danger" zur Verfügung gestellt. Die Freifrau ist Vorsitzende des Vereins.

Es ist nicht die erste Charity-Sause, die in diesem Jahr zum Wohle des Vereins der Gattin des smarten Verteidigungsministers ausgerichtet wird. Es wird wohl auch nicht die letzte sein. Weihnachtszeit ist Spendenzeit.

Vergangene Woche dann der bisher größte Coup der Freifrau. Einnahmerekord. Stephanie zu Guttenberg gewinnt bei Günther Jauchs Wer wird Millionär 500.000 Euro für den Verein. Viel Geld für einen Verein, der nach eigenen Angaben in Deutschland lediglich 2,5 Planstellen besetzt. Und nicht wenige fragen sich, wo das viele Geld landet. Journalisten der Frankfurter Rundschau sind der Frage vergangene Woche als Erste nachgegangen. Sie wollten wissen, wie hoch die Spendeneinnahmen sind, was genau mit dem Geld passiert, wie hoch die Verwaltungskosten sind.

Der als gemeinnützig anerkannte Verein war erstaunlicherweise nicht zu einer Auskunft bereit. Auch auf Anfrage von sueddeutsche.de wollte eine Sprecherin nicht einmal grob die Einnahme- und Ausgabenstruktur des Vereins erläutern.

Stattdessen will "Innocence in Danger" gerichtlich gegen die angeblich "haltlosen Vorwürfe und verleumderischen Aussagen zur angeblich intransparenten Mittelverwendung" vorgehen, wie es in einer am Montagabend veröffentlichten Pressemitteilung heißt.

Drohend wird formuliert: "Die weltweit operierende Kinderschutzorganisation zieht Konsequenzen aus der Medienkampagne, geht hiergegen presserechtlich vor und stellt Strafanzeige gegen den Journalisten sowie die verantwortlichen Redakteure." Und zwar wegen "verleumderischer Aussagen". Eine entsprechende Strafanzeige ist an diesem Dienstag ergangen.

In der gleichen Pressemitteilung betont Stephanie zu Guttenberg: "Die Transparenz der Spendenmittelverwendung ist uns sehr wichtig." Diesem Anspruch glaubt sie aber gerecht zu werden, indem "wir sämtliche Aktivitäten online stellen und unsere Finanzen dem Finanzamt Berlin und unseren Projektfinanzierern [...] mit einer detaillierten Abrechnung vorlegen".

Die von Transparency International angeregte "Initiative transparente Zivilgesellschaft" sieht das anders. Leitspruch der Initiative ist: "Wer für das Gemeinwohl tätig wird, sollte der Gemeinschaft sagen: Was die Organisation tut, woher die Mittel stammen, wie sie verwendet werden und wer die Entscheidungsträger sind." "Innocence in Danger" gehört nicht zu den Mitgliedern der Initiative.

Andere Organisationen machen es freiwillig besser. Der Verein "Zartbitter" in Köln etwa, der seit mehr als 20 Jahren zum Thema sexueller Missbrauch arbeitet - übrigens auch zu sexueller Gewalt in den neuen Medien. Dies ist das Schwerpunktthema bei "Innocence in Danger". Zartbitter verfügt nach eigenen Angaben über 700.000 Euro im Jahr. Etwa zehn hauptamtliche Mitarbeiter werden davon finanziert, die vornehmlich Betroffene beraten in bis zu 600 Einzelkontakten pro Jahr. Darüber hinaus wird ein Jugendtheater für die Präventionsarbeit unterhalten, das pro Jahr etwa 75.000 Kinder und Jugendliche erreicht. Spendeneinnahmen pro Jahr: 100.000 bis 150.000 Euro.

Zu entsprechenden Aktivitäten ist von "Innocence in Danger" wenig zu erfahren. Es gibt laut Internetseite Kooperationen mit einer Handvoll Schulen. In zwei Kunstwochen und einem Sommercamp wurden in diesem Jahr zusammen 28 traumatisierte Kinder betreut.

Boulevardmedien stehen hinter den Guttenbergs

"Innocence in Danger" unterhält keine eigenen Beratungsstellen und keine Infrastruktur, außer einem Hauptsitz in Köln, der bald nach Berlin verlagert werde soll. Wichtigstes von "Innocence im Danger" unterstütztes Projekt ist die Infohotline N.I.N.A., eine per Mail und Telefon erreichbare Beratungsstelle. Die gebührenpflichtige Hotline für 14 Cent pro Minute ist acht Stunden in der Woche besetzt. In der übrigen Zeit beantworten fachlich geschulte Honorarkräfte schriftliche Anfragen. In Vorbereitung ist noch ein Theaterprojekt.

Aus Sicht von Experten stehen die Reichweite der Arbeit des Vereins und seine mutmaßlichen Spendeneinnahmen in krassem Gegensatz zu seiner medialen Bedeutung. Seit der Mann von Stephanie zu Guttenberg zum kanzlerablen Shootingstar der Republik aufgestiegen ist, ist die Präsidentin der deutschen Sektion von "Innocence in Danger" aus keiner Talkshow mehr wegzudenken. Auf RTL II moderiert sie Sonntags die Sendungs Tatort Internet, in der mutmaßliche Täter bloßgestellt werden. Fachleute halten das Sendekonzept für kontraproduktiv im Umgang mit dem Thema Kindesmissbrauch. Nicht zuletzt, weil die kindlichen Opfer öffentlich zur Schau gestellt werden.

Die Boulevardmedien aber stehen voll hinter den Guttenbergs. Die Bild hat gar den Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), welches das hochanerkannte deutsche Spendensiegel vergibt, zum "Verlierer des Tages" erklärt, weil der angeblich Stephanie zu Guttenbergs Engagement in Frage gestellt habe. Dabei hat DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke nichts anderes gesagt, als dass eine Organisation, die öffentlich und breit um Spenden werbe, ihre Einnahmen und Ausgaben transparent machen solle.

Davon will er auch nichts zurücknehmen. Die Aussage sei lediglich als Aufforderung an "Innocence in Danger" missverstanden worden, sich auch dem Spendensiegel zu unterwerfen. Das sei so nicht gemeint gewesen. "Wir fordern niemanden aktiv auf, das Siegel zu verwenden", sagt Wilke zu sueddeutsche.de.

Ärgerlich ist für viele Beratungsstellen, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, "Innocence in Danger" sei die bundesweit einzige Anlaufstelle für sexuellen Missbrauch. Dabei gibt es inzwischen in jeder größeren Stadt Beratungs- und Fachzentren wie die von Wildwasser, Zartbitter, vom Kinderschutzbund oder Dunkelziffer. Auch zum Spezialthema sexuelle Gewalt im Internet gibt es weitaus mehr Organisationen als nur "Innocence in Danger". Was aber Stephanie zu Guttenberg offenbar weitaus besser beherrscht als alle anderen ist das Spendensammeln.

Ursula Enders, Geschäftsführerin von Zartbitter in Köln, sieht darin ein Problem für sich und alle anderen Beratungsstellen im Land, die auf Spenden angewiesen sind. "Wir befürchten, dass unterm Strich weniger für uns übrig bleibt", sagt sie zu sueddeutsche.de. Sie wolle die Arbeit von "Innocence in Danger" nicht geringschätzen und sexuelle Gewalt im Netz sei ein wichtiges Thema. Aber das Hauptproblem sei immer noch der sexuelle Missbrauch in der Familie und im sozialen Nahraum. Diese Arbeit sei chronisch unterfinanziert.

Eine wichtige Aufgabe von "Innocence in Danger" ist laut Selbstbeschreibung die Vernetzung von bestehenden Strukturen. Da hat der Verein offenbar ein Defizit ausgemacht, das wichtige Organisationen wie Zartbitter und Wildwasser gar nicht haben. "Wir müssen nicht vernetzt werden", sagt Ursula Enders. "Wir sind es schon."

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