Kinderporno-Verdacht gegen Tauss:Handykontakte mit "Werner"

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Der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss soll unter einem Decknamen kinderpornographische Bilder bezogen haben. Durch einen Zufall rückte er in den Fokus der Ermittler.

Constanze von Bullion und Bernd Dörries

Der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss (SPD) gehört zu den eifrigsten Zwischenrufern im Parlament. Am Donnerstagmorgen dieser Woche schien er besonders aufgedreht gewesen zu sein. Dutzende Einwürfe des Politikers wurden protokolliert, einer davon, als die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär gerade davon sprach, wie wichtig Jugendschutz in den neuen Medien sei.

"Ich bin unschuldig": Der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss gibt am Donnerstag in Berlin ein Pressestatement. (Foto: Foto: ddp)

"Das stelle ich auch fest, wenn ich mir die Kinderpornographie im Netz anschaue", sagte Bär. "Was?", rief der Abgeordnete Tauss dazwischen. "Das schaut man sich aber nicht an!" Die CSU-Politikerin stutzte und erwiderte: "Das ist kein Thema, über das man Witze macht."

Das Protokoll dieses Wortwechsels wäre normalerweise unbeachtet in den Tiefen des Bundestagsarchivs verschwunden. Nun aber stellt sich die Frage, ob der Abgeordnete Tauss, 55, sich doch Kinderpornos angeschaut hat. Privat, nicht aus Gründen der Recherche.

Am Freitag legte der SPD-Politiker seine Ämter als medien- und bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und als Generalsekretär des baden-württembergischen Landesverbands nieder. Vorausgegangen waren, fast zeitgleich mit der Bundestagsdebatte, Durchsuchungen seiner Büros in Berlin und bei Karlsruhe sowie in seiner Wohnung. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt wegen des Verdachts des Besitzes von Kinderpornographie.

In seiner Wohnung wurde nach Angaben der Ermittler "einschlägiges" Material außerhalb von Computern gefunden, das nicht im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit von Tauss als Medienexperte des Bundestags stehe. Der Politiker versicherte am Freitag erneut, er sei unschuldig und trete von seinen Ämtern nur zurück, um seine Partei nicht zu belasten. Auf seiner Homepage versicherte er: "Ich bin mir absolut sicher, dass der gegen mich erhobene Vorwurf schnell ausgeräumt werden kann." Sein Bundestagsmandat will Tauss behalten.

Es war ein Zufall, der den SPD-Politiker in den Fokus der Ermittler gerückt hat. Die Polizei in Potsdam stieß Anfang 2008 bei einem Kleinkriminellen auf einen Brief, in dem dieser einen 29-Jährigen in Bremerhaven um Zusendung einer DVD mit Kinderpornos bat. Im Juli 2008 durchsuchten Fahnder die Wohnung des Arbeiters in Bremerhaven und stellten Kinderpornos und Computer sicher.

Der Beschuldigte begann zu kooperieren, im Gegenzug soll ihm die Staatsanwaltschaft ein geringeres Strafmaß zugesichert haben. Der 29-Jährige gab der Polizei das Telefonverzeichnis seines Handys weiter. Unter den 51 Einträgen befand sich ein "Werner" aus dem Großraum Karlsruhe, wohin die Bremerhavener Ermittler das Verfahren im Januar 2009 weitergaben. Erst jetzt wurde klar, dass es sich bei "Werner" um den Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss aus Bretten bei Karlsruhe handeln soll.

23 Handykontakte hat es nach Ansicht der Ermittler zwischen dem 29-Jährigen in Bremerhaven und "Werner" aus Karlsruhe gegeben, per SMS und MMS, auch Bilddateien mit Kinderpornos wurden versandt. Einmal soll "Werner" eine DVD bestellt und erhalten haben. Per SMS soll die Qualität der Ware beurteilt worden sein, einmal soll sich "Werner" auch in den Urlaub abgemeldet haben.

Bei der SPD im Bundestag wachsen nun Zweifel, ob Tauss politisch zu halten ist. Offiziell heißt es, es gelte die Unschuldsvermutung. Die medien- und familienpolitischen Experten aber gingen vorsichtshalber auf Tauchstation. Ein Fraktionssprecher erklärte, man begrüße die Entscheidung von Jörg Tauss, seine Ämter niederzulegen. Dass er sein Bundestagsmandat nicht abgibt, wolle man nicht kommentieren. Hinter den Kulissen aber wird gestritten - auch darüber, dass Tauss angibt, er habe nur beruflich mit Kinderpornos zu tun gehabt.

Dies betonte am Freitag sein Anwalt. "Wer seit 1994 gegen Kinderpornographie kämpft, der hat auch mal Kontakt zu solchem Material. Das ist völlig normal", sagte Jan Mönikes der Süddeutschen Zeitung. Tauss kenne den Namen des Beschuldigten aus Bremerhaven nicht. "Die Staatsanwaltschaft hat vorschnell geurteilt, noch bevor die Durchsuchungen abgeschlossen waren."

In Berlin bleiben einige Fragen offen. Der Medienexperte Tauss nämlich streitet seit November 2008 mit Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), ob Kinderpornoseiten im Internet gesperrt werden sollen. Die Ministerin plant ein solches Gesetz, Tauss ist dagegen und gab ein Gutachten in Auftrag, das eine Sperrung für rechtlich problematisch erklärte. In dieser Debatte sei es nie nötig gewesen, Kinderpornos auf DVD anzuschauen, heißt es in Berlin.

Auch beim Bundeskriminalamt gibt es keinen Bedarf, sich von Politikern bei der Bildauswertung beraten zu lassen. "Die Vorschriften für die Strafbarkeit bei Kinderpornographie sind sehr eindeutig", sagte eine Sprecherin. "Jeder macht sich strafbar, der zugreift und etwas verbreitet."

© SZ vom 07.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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