Kinderheirat:Ehekrieg

Justizminister Heiko Maas will Zwangsheiraten von Kindern bekämpfen. Sein Gesetzentwurf aber ist umstritten, juristische Fachverbände protestieren. Sie finden, der Gesetzenwurf gefährde die Rechte von Müttern und Kindern.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Das geplante Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen, das Mädchen aus Zwangsehen helfen soll, stößt in juristischen Fachverbänden auf scharfe Kritik. "Wir halten den mit dem Gesetzentwurf verbundenen Grundrechtseingriff nicht nur für formell, sondern auch für materiell verfassungswidrig", heißt es in einer Stellungnahme des Deutschen Notarvereins, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Besonders problematisch sei das Vorhaben der Bundesregierung, im Ausland rechtskräftig geschlossene Ehen künftig für nichtig zu erklären, wenn ein Partner jünger als 16 Jahre ist. Das "Fallbeil" der Nichtigkeit richte einen "nicht vertretbaren Kollateralschaden" an, so der Verband. Auch der Deutsche Familiengerichtstag meldete "erhebliche Bedenken" an. "Es werden menschenrechtswidrige Regelungen geplant, um mit Familienrecht Politik zu machen", warnte Eva Becker, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein.

Anfang März will Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), das "Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen" ins Kabinett bringen, im Eiltempo. Binnen drei Werktagen sollten die Fachverbände Stellung nehmen. Nach dem Gesetzentwurf, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, kann in Deutschland künftig nur noch heiraten, wer mindestens 18 Jahre alt ist. Ausnahmen für 16- bis 18-Jährige wie bisher soll es nicht mehr geben.

Wie sollte man mit Minderjährigen verfahren, die rechtskräftig im Ausland geheiratet haben?

Sehr umstritten aber ist, wie mit Minderjährigen verfahren werden soll, die rechtskräftig im Ausland geheiratet haben. Bisher blieben diese Ehen gültig, nun will Bundesjustizminister Maas sie auflösen. War ein Ehepartner zwischen 16 und 18 Jahre alt, als die Ehe geschlossen wurde, "muss" das Jugendamt nach dem Gesetzentwurf künftig einen Aufhebungsantrag beim Familiengericht stellen. Die Richter sind gehalten, die Ehe aufzuheben, haben aber einen Ermessensspielraum. Kommen sie, nachdem sie Eheleute und Experten angehört haben, zur Überzeugung, dass "aufgrund außergewöhnlicher Umstände" die Aufhebung der Ehe eine "schwere Härte für den minderjährigen Ehegatten" darstellen würde, kann sie bestehen bleiben, in Ausnahmefällen.

"Einen Mindestspielraum bei Einzelfallentscheidungen müssen die Gerichte haben", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl. "Wir sollten uns auch Gedanken darüber machen, was einen außergewöhnliche Härtefall darstellt." Högl plädiert dafür, Jugendämter zu verpflichten, eingereiste minderjährige Ehepartner sofort in Obhut zu nehmen. Zu begrüßen sei auch eine Regelung für Altfälle im Entwurf, sagte Högl. Ist eine Ehe mit Minderjährigen schon vor langer Zeit geschlossen worden, und hat das Paar bis zur Volljährigkeit im Ausland gelebt, soll die Ehe Bestand haben können. Das soll vermeiden, dass einer längst erwachsenen Mutter, etwa aus den USA, rückwirkend die Ehe aufgelöst wird.

Deutlich härter als die gerichtliche Aufhebung von Ehen 16- bis 18-Jähriger ist eine Nichtigerklärung, die Maas für Verheiratete unter 16 Jahren plant. Ihre Ehen sollen automatisch und ohne Anhörung als "unwirksam" gelten, als hätten sie nie bestanden. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), rechtspolitische Sprecherin der Union im Bundestag, hat hier erhebliche Bedenken. Bei einer pauschalen Nichtigkeitserklärung würden Betroffenen womöglich die Konsequenzen gar nicht bewusst, warnte sie. Ein gerichtliches Aufhebungsverfahren sei hier vorzuziehen. "Es ist für die Betroffenen sehr wichtig, dass es ein offizielles Verfahren gibt und ein Richter ihnen erklärt, welche Folgen die Auflösung einer Ehe hat." Ist eine Ehe nichtig, sind daraus hervorgegangene Kinder unehelich. Sie verlieren alle unterhalts- und erbrechtlichen Ansprüche, die Vaterschaft muss erst nachgewiesen werden.

Michael Frieser, rechtspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe, hält die Nichtigkeitserklärung bei Ehen Unter-16-Jähriger dagegen für unverzichtbar. Ein 14-jähriges Mädchen sei gegen den Willen seines Vormunds oder Ehemannes gar nicht ladungsfähig, sagte er. "Nur wenn ich eine Nichtigkeitserklärung habe, kann ich das Kind getrennt vom Ehemann vernehmen."

Fachverbände sehen das anders. "Die generelle Behandlung als Nichtehe ließe keinen Raum für die einzelfallbezogene Prüfung des Wohls des betroffenen Kindes". Andere Verbände warnen vor unterhalts- und erbrechtlichen Nachteilen für Mütter und Kinder. Der Deutsche Notarverein empfahl auf das "Verdikt der Ehenichtigkeit" zu verzichten. Der Gesetzgeber sei gefordert, in einem "sehr sensiblen Bereich behutsam zu verfahren" und differenzierte Lösungen zu entwickeln, die "einem am Grundrechtskatalog unserer Verfassung orientierten Rechtsstaat gerecht" würden.

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