Familienpolitik:So soll die neue Grundsicherung für Kinder aussehen

Familienpolitik: Die Kindergrundsicherung soll vor allem Familien zugutekommen, die bisher keine Unterstützung in Anspruch nehmen, aber ein Recht darauf hätten.

Die Kindergrundsicherung soll vor allem Familien zugutekommen, die bisher keine Unterstützung in Anspruch nehmen, aber ein Recht darauf hätten.

(Foto: Zeljko Dangubic/Imago)

Wer profitiert? Wer nicht? Und warum warnen Union und FDP davor, die Vorschläge der Familienministerin würden den Anreiz geben, weniger zu arbeiten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Roland Preuß und Henrike Roßbach, Berlin

Wenn es so kommt, wie sich Familienministerin Lisa Paus das vorgenommen hat, dann werden Millionen Familien bald anders unterstützt werden als bisher. Einfacher soll es werden, digitaler - und vermutlich auch deutlich teurer für den Staat. Die Ampelkoalition hat sich mit der Kindergrundsicherung nicht weniger vorgenommen als eine völlige Neuordnung der staatlichen Hilfen für Familien. Auch das Kindergeld würde damit der Vergangenheit angehören. Die Grünen-Politikerin Paus hat diese Woche auf zwölf Seiten dargelegt, wie sie sich das vorstellt. Allerdings zeichnet sich bereits politischer Streit um einzelne Punkte ab.

Warum will die Bundesregierung die Unterstützung für Kinder neu ordnen?

Das Hauptziel ist, dass weniger Kinder unter Armut leiden. Insbesondere die Grünen hatten im Bundestagswahlkampf versprochen, sie würden etwas gegen Kinderarmut unternehmen. Zugleich möchte die Koalition das Dickicht an Sozialleistungen für Eltern und Kinder lichten, das bisher vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis hin zu eigenen Elementen im Bürgergeld und im Asylbewerberleistungsgesetz reicht. Dies führt nach Überzeugung von Fachleuten dazu, dass viele Familien die Hilfen nicht in Anspruch nehmen. Laut Paus beziehen zum Beispiel nur 30 Prozent der Berechtigten den Kinderzuschlag für Geringverdiener (nicht zu verwechseln mit dem Kindergeld). Dieser soll verhindern, dass erwerbstätige Eltern nur wegen ihrer Kinder Grundsicherung beantragen müssen. Nun sollen alle Leistungen in der Kindergrundsicherung aufgehen.

Was heißt das für Familien?

Sie sollen künftig einfacher und schneller an staatliche Unterstützung kommen. Behördengänge sollen entfallen und durch Online-Anträge ersetzt werden, Eltern automatisch vom Amt benachrichtigt werden, wenn sie für Unterstützung infrage kommen. Zudem sollen Familien möglichst nur noch eine Behörde als Ansprechpartner haben.

Wer profitiert, wer könnte schlechtergestellt werden?

Laut den Eckpunkten von Paus sollen vor allem die Familien profitieren, die bisher keine Unterstützung in Anspruch nehmen, obwohl sie ein Recht darauf hätten. Die Kindergrundsicherung würde aber auch neue Ansprüche schaffen, etwa für einen Teil der Familien, die bisher Bürgergeld beziehen. So soll die Kindergrundsicherung grundsätzlich nicht mehr auf das Bürgergeld der Eltern angerechnet werden, auch wenn für das Kind zum Beispiel Unterhaltsleistungen fließen. Langfristig will Paus zudem den Steuerfreibetrag für Kinder so mit der Kindergrundsicherung verknüpfen, dass die mögliche Steuerersparnis nicht höher ausfallen kann. Bisher können Besserverdiener mehr Steuern sparen als die derzeit monatlich 250 Euro Kindergeld. Dieser Vorteil würde damit entfallen.

Werden die Kinder selbst die neue Sozialleistung spüren?

Volljährige Kinder ja. Sie sollen das Geld direkt erhalten, wenn sie von zu Hause ausziehen. Ansonsten kommt es auf die Eltern an, inwiefern sie das Geld für ihre Kinder verwenden.

Welche Punkte sind politisch besonders umstritten?

Zum einen die Kosten, zum anderen die Frage, ob die neue Kindergrundsicherung womöglich den Anreiz für arbeitslose oder geringfügig beschäftigte Eltern senkt, sich eine Stelle zu suchen oder ihre Arbeitszeit zu erhöhen. Neue Anreize, "die in die falsche Richtung führen", dürfe es nicht geben, heißt es aus dem Finanzministerium von Christian Lindner (FDP).

Dort zeigt man sich wenig begeistert von Paus' erstem Aufschlag. Aus Ministeriumskreisen hieß es am Freitag, dass die "regierungsinternen Verfahren" mit Blick auf das Projekt Kindergrundsicherung "nicht beachtet" worden seien. Die Ergebnisse der interministeriellen Arbeitsgruppen lägen noch nicht vor, für eine Bewertung sei es daher zu früh. "Es handelt sich offenbar um einen Schnellschuss vor der Berlin-Wahl", hieß es. Und: "Es kann daher keine Garantie geben, dass diese Vorüberlegungen wirklich so umgesetzt werden können." Mit anderen Worten: Lindner stellt schon mal das Stoppschild bereit.

Auch aus der FDP-Fraktion gibt es Einwände. "Wir wollen keine neuen Sozialleistungen, wir wollen eine Neuordnung der Hilfen", sagte FDP-Fraktionsvize Gyde Jensen der SZ. Sie pocht auf gezielte Hilfen für Kinder. "Die Kindergrundsicherung muss auch dazu führen, dass Kinder und Jugendliche selbstbestimmt teilhaben und nach ihren Bedürfnissen entscheiden, deshalb das Kinderchancenportal." Über das Portal können staatlich unterstützte Leistungen gebucht werden, etwa Nachhilfeunterricht oder Vereinsmitgliedschaften.

Was wird die Kindergrundsicherung kosten?

Das ist noch unklar, vermutlich einen Milliardenbetrag. Die in Medienberichten genannten acht bis zehn Milliarden Euro seien allerdings falsch, hieß es aus Regierungskreisen. Beim Finanzministerium heißt es, alle Koalitionsvorhaben müssten in den Bundeshaushalt passen. Lindner will mit dem Haushalt 2024 nicht nur die Schuldenbremse einhalten, sondern nach vielen Sonderhaushalten und Extra-Töpfen auch sonst zurückkehren zu finanzpolitischer Normalität.

Inwiefern hat die Opposition bei dem geplanten Gesetz mitzureden?

Sie hat entscheidend mitzureden, denn der Bundesrat müsste einer Kindergrundsicherung zustimmen - und dort hat die Ampelkoalition keine eigene Mehrheit. Wie schwierig das werden kann, hatte im Herbst das Ringen um das Bürgergeld gezeigt. Aus der Unionsfraktion kommt bereits Kritik an Paus' Plänen, die sich teilweise mit den Einwänden der FDP deckt. "Die Kindergrundsicherung würde den Anreiz zum Arbeiten verringern", sagte Unionsfraktionsvize Silvia Breher der SZ. "Mit diesem Modell würden vor allem diejenigen Eltern bessergestellt, die nicht arbeiten gehen, insbesondere wenn sie viele Kinder haben." Für Breher ist die geplante Kindergrundsicherung zu ungenau - und kostspielig. "Das wird richtig teuer für den Steuerzahler."

Wie geht es weiter mit dem Vorhaben?

Noch liegen nur die Eckpunkte vor; erwartet werden aber auch noch die Ergebnisse der Arbeitsgruppe, die von den zuständigen Ministerien gebildet wurde. Danach muss ein Referentenentwurf geschrieben werden - das soll bis zum Herbst geschehen. Wenn das Kabinett zugestimmt hat, geht der Entwurf in den Bundestag. Insgesamt dürfte es wegen der Komplexität ein langwieriges Gesetzesvorhaben werden. Im Jahr 2025 soll die Kindergrundsicherung dann erstmals an die Familien fließen.

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