Im Koalitionsstreit über die Kindergrundsicherung erhält Familienministerin Lisa Paus (Grüne) Unterstützung aus der SPD-Spitze für ihre Forderung nach zwölf Milliarden Euro für die Reform. "Ich gehe davon aus, dass wir den Betrag von zwölf Milliarden Euro auch brauchen werden", sagte die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken am Dienstag im ZDF. Der Finanzbedarf beruhe derzeit aber auf Schätzungen.
Es komme vor allem darauf an, wirklich alle Kinder und ihre Familien zu erreichen, die diese Unterstützung bräuchten, sagte Esken. Die Kindergrundsicherung werde auf jeden Fall 2025 kommen. "Wir sind ja verabredet dazu, mit der Kindergrundsicherung die Kinderarmut in Deutschland zu überwinden." Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, diese Maßnahme einzuführen. "Das werden wir auch umsetzen, ganz klar", sagte Esken.
Lindner ist für die Kindergrundsicherung, will aber keine zwölf Milliarden Euro bereitstellen
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wehrt sich weiter gegen dieses Ansinnen. "Statt über wirksame Mittel gegen die Gründe von Kinderarmut zu diskutieren, wird nur über weitere Milliardentransfers gesprochen", sagte er am Dienstag. "Soziale Politik aber bemisst sich nicht am Umfang der Etats, sondern an nachhaltig sozialen Ergebnissen im Alltagsleben." Christoph Meyer, Vizechef der FDP-Fraktion, warf Esken vor, über "unseriöse Zahlen" zu reden. Für seine Partei nahm er in Anspruch: "Die FDP rechnet nicht mit Mondzahlen."
Lindner argumentiert, die Koalition habe bereits deutlich mehr Geld für die Förderung von Kindern und Familien bereitgestellt als die Vorgängerregierungen - etwa Anfang dieses Jahres durch die stärkste Erhöhung des Kindergelds seit 1996. Insgesamt stelle man jährlich sieben Milliarden zusätzlich zur Verfügung. "Das Wesentliche für die Kindergrundsicherung ist damit finanziell getan", hatte der FDP-Chef der Bild am Sonntag gesagt.
Das heißt: Lindner stellt sich nicht grundsätzlich gegen die Kindergrundsicherung, allerdings lehnt er es ab, die von Paus und den Grünen geforderten zwölf Milliarden hierfür bereitzustellen. SPD-Chefin Esken hingegen unterstützt die Grünen.
Die Kindergrundsicherung soll bisherige Sozialleistungen wie Kindergeld, das Bürgergeld für Kinder, den Kinderzuschlag sowie Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket bündeln und das Antragsverfahren vereinfachen. Paus will die Leistungen zudem ausweiten. Die Familienministerin hatte im Januar einen Entwurf eines Eckpunktepapiers vorgelegt, seitdem flammt der Streit mit der FDP immer wieder auf.
Das Familienministerium räumt ein, dass die Kosten von zwölf Milliarden auf Schätzungen beruhen, Paus verweist auf eine DGB-Studie, welche die Kosten auf jährlich 12,5 Milliarden Euro bezifferte. Allein die geplante einfachere Antragstellung werde bewirken, dass Mehrkosten entstehen, argumentiert man bei den Grünen. Bisher nähme etwa nur ein Drittel der berechtigten Familien den Kinderzuschlag in Anspruch. Würden dies künftig annähernd alle tun, so müssten dafür Mittel bereitgestellt werden.
Kanzler Scholz unterstützt das Vorhaben - äußert sich aber nicht zu den Finanzen
Der Kinderzuschlag soll verhindern, dass Mütter oder Väter allein deshalb Bürgergeld beantragen müssen, weil sie Kinder haben. Pro Kind zahlt der Staat bis zu 250 Euro im Monat.
Auffällig zurückhaltend zeigt sich bisher Olaf Scholz (SPD) in dem Streit. Der Kanzler hatte zwar mehrfach Unterstützung für das Vorhaben ausrichten lassen. Er sei ein großer Anhänger der Kindergrundsicherung, die Reform werde kommen, sagten Regierungssprecher. Genaueres aber lässt sich Scholz derzeit nicht entlocken, insbesondere nicht zur Finanzierung. In anderen zentralen Streitfragen der Koalition wie der Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken und bei der Planungsbeschleunigung hatte Scholz die Haltung der FDP unterstützt.
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Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte Scholz am Dienstag auf, Position zu beziehen. Scholz und die SPD müssten "zu diesem wichtigsten sozialen Projekt in dieser Wahlperiode klar Farbe bekennen", verlangte Anja Piel, Vorstandsmitglied des DGB, in der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten.