Schönheit:Warum in Japan schon Dreijährige zur Haarentfernung gehen

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Japanische Schüler geraten unter Druck, wenn sie die gängigen Schönheitsideale nicht erfüllen. (Foto: imago)

In Japan verbuchen Studios immer mehr Kinder unter ihren Kunden, die eine makellose Haut bekommen sollen. Haben sie Haare an der falschen Stelle, gelten sie als nachlässig und riskieren dumme Bemerkungen.

Von Thomas Hahn

Zur Ausstattung des Haarentfernungsstudios Dione im Tokioter Bezirk Shinjuku gehört ein Kinderzimmer mit Puppenstube und Bilderbüchern. Das ist praktisch für Leute, die zur Laserbehandlung von Oberlippenflaum oder Beinbehaarung ihren Nachwuchs mitbringen müssen. Aber nicht nur deshalb hat die Filiale der national tätigen Enthaarungsfirma einen Bereich für die Kleinen: Kinder sind hier auch Kunden, neben Frauen sind sie Diones zweite Zielgruppe. Mit der sogenannten Hyperskin-Methode könne man schon Dreijährigen zu haarloser Schönheit verhelfen, heißt es auf der Website des Studios. Und die Nachfrage steigt, das hat Filialleiterin Miho Kakoi zuletzt der Japan Times bestätigt: Mitte Dezember waren 30 Kinder bei ihr in Behandlung, darunter ein vierjähriges Mädchen.

Haarlose Haut für Vierjährige? Muss das sein? Es hilft, antworten Eltern, die ihre Kinder zu Dione oder anderen Fachkliniken schicken. Japans Harmoniegesellschaft hat ihre eigenen Standards für Schönheit und Hygiene etabliert – Haare an der falschen Stelle sind demnach nicht gern gesehen. Wer dem nicht folgt, riskiert, als nachlässig und undiszipliniert aufzufallen. Die Enthaarungsindustrie wiederum kann mit Hochleistungslasern oder Blitzlampen das Versprechen einer Haut einlösen, auf der für lange Zeit kein Stoppel mehr sprießt. Nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Marketing Center gehen in Japan auch immer mehr Männer zwischen 20 und 30 ins Enthaarungsstudio für ein Leben ohne Rasierer. Und der Trend zur Kinderenthaarung ist deutlich.

Manche Mädchen seien "von ihren Müttern inspiriert"

Als Dione vor 15 Jahren den Betrieb aufnahm, machten Kinder bis zur dritten Klasse 0,5 Prozent der Kundschaft aus – heute sind es fünf bis sechs Prozent. Manche Mädchen würden „von ihren Müttern inspiriert“, sagt Filialleiterin Kakoi. Aber viele Kinder wollen die Behandlung vor allem deshalb, weil sie von anderen Kindern auf ihre Haare an Armen, Beinen oder im Gesicht angesprochen wurden. Toshikatsu Mitsui, Betriebsgesellschaftschef einer Kinderklinik in Kawasaki, die auch Laser-Enthaarung anbietet, sieht den Service deshalb nicht als Schönheitstherapie. „Das ist eine Form der seelischen Pflege“, sagt er in der Zeitung Asahi.

Die Behandlung ist teuer. Je nachdem, welche und wie viele Körperpartien man enthaaren will, kann eine Behandlungsserie mit zwölf Sitzungen bei Dione in Shinjuku umgerechnet zwischen 490 und 2700 Euro kosten. Enthaarung ist ein Geschäft. Die Werbung dafür verheißt ein makelloses Aussehen, wie es Prominente in Fernsehserien und sozialen Medien vorführen. Japans Kinder scheint das immer mehr zu beeinflussen.

Experten sind nicht begeistert. Das empfohlene Mindestalter zur Haarentfernung sei 15, „wenn sich die hormonellen Schwankungen der Pubertät etwas stabilisiert haben“, sagt der Dermatologe Takeshi Ouchi in der Japan Times. Kinderhaut sei noch zu dünn und empfindlich, um Haarfollikel wegzulasern, es bringe möglicherweise auch nicht so viel wie bei Erwachsenen. Und der Anspruch, perfekt auszusehen, ist ohnehin nichts für Kinder.

Kinder brauchen eigentlich keine haarlose Haut, eher schon Selbstbewusstsein gegen blöde Kommentare. Oder wie man auch sagen könnte: ein dickes Fell.

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