Kinderbetreuung:Die Legende von den neuen Vätern

Modellprojekt Kita und Erziehungshilfe

Manchmal würden sich Väter gern kümmern - dann meckern die Mütter.

(Foto: Stephanie Pilick/dpa)

Zwar nehmen immer mehr Männer Elternzeit, doch das alte Familienmodell hält sich hartnäckig. Dazu tragen auch die Mütter bei.

Von Ulrike Heidenreich

In den Statistiken ist der "neue" Vater ein echtes Erfolgsmodell. Er nimmt liebend gerne Elternzeit, um sich aufopfernd um den Nachwuchs zu kümmern. Jeder dritte junge Vater beantragt inzwischen Elterngeld. In der Praxis jedoch findet man in Deutschland nur allmählich einen Konsens über dieses neue Vaterbild.

Ein Bulletin des Deutschen Jugendinstituts (DJI) zeigt das Vereinbarkeitsdilemma zwischen Job und Familie - und kommt auch noch zu einem überraschenden Nebenresultat: Kinderpflege wirkt sich auf den Hormonhaushalt der Männer aus, bei ihnen sinkt der Testosteronspiegel.

Die Forschung über junge Väter steckt, dieses Bild lässt sich kaum vermeiden, noch ziemlich in den Kinderschuhen. Das DJI führt nun verschiedenste Untersuchungen zusammen - vom Geschlechtersoziologen bis zur Entwicklungspsychologin. "Neue Väter, Legende oder Realität?" heißt das Werk, und glaubt man ihm, gibt es ein tagtägliches Hauen und Stechen in deutschen Haushalten. Da ist einerseits die wachsende Beteiligung von Vätern, die "mehr als nur für den Gute-Nacht-Kuss da sein wollen". So hat es Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) gerade formuliert, als sie vorschlug, ein Familiengeld einzuführen. Weniger Wochenstunden für beide Elternteile und bis zu zwei Jahre 300 Euro monatlich pro Kind unter acht Jahren, so Schwesigs Forderung.

Die CSU lehnt das Familiengeld ab, weil nur ein kleiner Teil der Eltern dieses Arbeitszeitmodell wählen würde. Laut DJI-Expertise würde es auch aus anderen Gründen auf der Strecke noch etwas holpern: Tradierte Familienbilder hielten sich hartnäckig, Väter, die sich von der Rolle des Familienernährers verabschieden wollten, müssten viele Hindernisse meistern, auch in der eigenen Beziehung. "Noch immer wird der Frau die größere Kompetenz in der Kinderbetreuung zugeschrieben. Wenn der Vater sich wirklich ernsthaft an der Betreuung beteiligen will, kann sie das auch als Bedrohung empfinden", sagt Michael Meuser, Professor für Geschlechterverhältnisse an der TU Dortmund. Mütter wollten den Rahmen bestimmen, in dem der Mann die Rolle des Vaters ausfüllt. Meuser nennt dieses Phänomen "mütterliches Gatekeeping", das sind über Jahrhunderte eingeschliffene Verhaltensmuster.

Paare, die sich geschworen hatten, gleichberechtigt Familie und Haushalt zu stemmen, und doch in alte Muster zurückfallen, reden sich das oft schön. "Zum Beispiel betonen Väter, dass sie selbstverständlich bereit gewesen wären, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, wenn die Frau mehr verdienen würde", sagt Meuser. So werde der Schein der freien Wahl gewahrt.

Seit Generationen wird rauf- und runterdiskutiert, was denn genau eine "gute Mutter" ausmache. Die Rolle des "guten", des "neuen" Vaters ist seit 2007, seit Einführung des Elterngeldes, stärker zum Thema geworden. Jedes Jahr steigen seitdem die Bezugszahlen von Männern um verlässliche zwei bis drei Prozent. Für mehr als jedes dritte Kind (34,2 Prozent), das 2014 in Deutschland geboren wurde, bezog nicht nur die Mutter, sondern auch der Vater Elterngeld. Beim Geburtsjahrgang 2008 war es noch jedes fünfte Kind (20,8 Prozent). Doch auch diese Erfolgszahlen sind differenziert zu betrachten - denn in 80 Prozent der Fälle nehmen Männer nur zwei Vätermonate in Anspruch.

In Ratgeberheften für Eltern gibt es immer wieder Tests, die da lauten: "Sind Sie ein guter Vater?" Punkten können Männer darin, wenn sie am Geburtsvorbereitungskurs teilgenommen haben. Eher schlecht schneiden sie ab, wenn sie auf die Frage, was sie tun, wenn das Kind am frühen Morgen zum Sportwettbewerb muss, antworten: "Da schlafe ich dann mal richtig schön aus." Beim DJI ist man da mehr in die Tiefe gegangen, beobachtet "neue Selbstverständlichkeiten", die zwar nicht revolutionär seien, aber doch frischen Wind in die Arbeits- und Familienwelt brächten. DJI-Chef Thomas Rauschenbach fasst das so zusammen: "Nachhaltige Veränderungen in den gelebten Familienmodellen sollte man deshalb nicht in Jahrestakten erwarten, sondern im Horizont von Generationen und mehreren Jahrzehnten."

Die Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert von der Uni Wien berichtet im Bulletin von Erkenntnissen, die sie während ihrer Forschung über Vater-Kind-Beziehungen gewonnen hat. Berührungen, Kuscheln und Knuddeln aktivieren demnach auch bei Männern eine Art Fürsorglichkeitsbiologie: Der Testosteronspiegel sinkt dann. Väter müssten diesen Effekt allerdings nicht fürchten, so Ahnert: "Am nächsten Morgen hat sich der Testosteronspiegel erholt."

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