Süddeutsche Zeitung

Kim Philby:So unterrichtete ein britischer Doppelagent die Stasi

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Kim Philby galt als Moskaus treuester Brite und Londons größter Verräter. Ein neu entdecktes Video zeigt ihn bei einer Lehrstunde über Spionage - vor Mitarbeitern der Stasi.

Von Rebecca Barth

Der britische Doppelspion Kim Philby ist eine Legende, sein Leben war Vorlage für Romane wie "Dame, König, As, Spion" und dem sowjetischen KGB dürfte er einige seiner größten Erfolge beschert haben. Kim Philby machte Karriere im britischen Geheimdienst MI6. Er wurde Leiter der Abteilung für Bekämpfung des Kommunismus. Dabei war er selbst Kommunist. Und bis zu seiner Enttarnung versorgte er die Sowjetunion mit brisanten Informationen aus erster Hand.

Der Fall beschäftigt die Briten bis heute - darum haben Journalisten der BBC nach Material über Philby gesucht. Fündig wurden sie ausgerechnet in Berlin, bei der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Philby - damals bereits in den Ostblock geflohen - hatte nämlich 1981 vor Agenten der Staatssicherheit über die Kunst des Spionierens gesprochen. "Genosse Kim Philby", der "Kundschafter an vorderster Front" im "Kampf gegen Faschismus und Reaktion", wie ihn Auslandsspionagechef Markus Wolf begrüßte, ließ sich dabei filmen.

Nachhilfe in Spionage und Verrat

Auf den bisher unbekannten Aufnahmen sieht man Philby im Anzug mit gestreifter Krawatte und einer übergroßen Hornbrille, die ihm verblüffende Ähnlichkeit mit dem Konterfei Erich Honeckers verleiht, welches direkt hinter ihm hängt. Philby, zu diesem Zeitpunkt etwa 70 Jahre alt, erinnert sich an seine Sternstunden als Doppelagent:

"Jeden Abend verließ ich das Büro mit einem großen Aktenkoffer voller Berichte, die ich selbst geschrieben hatte, voller Akten, die ich den eigentlichen Dokumenten aus den Archiven entnommen hatte", prahlt er vor ausgewählten Mitarbeitern der Stasi. "Die habe ich dann am Abend meinem sowjetischen Kontakt gegeben. Am nächsten Morgen bekam ich sie wieder und brachte sie an Ort und Stelle zurück."

Bislang gab es nur eine bekannte Filmaufnahme von Philby. Von einer Pressekonferenz aus dem Jahr 1955 in der Londoner Wohnung seiner Mutter, auf der er beteuert, kein Kommunist zu sein. Das war gelogen: Schon 1934 hatte sich der linke Student zur Spionage für die Sowjetunion verpflichtet. Aus Überzeugung. 1940 begann er dann, auch für den britischen Geheimdienst zu arbeiten. Gleichzeitig versorgt er die Sowjetunion weiter treu mit heiklen Informationen.

Bei den Briten machte er rasch Karriere: 1944 wurde er Leiter der Abteilung zur Bekämpfung des Kommunismus. Vor den Stasi-Agenten erklärt er, seine Karriere sei in Moskau geplant worden: Der KGB - bzw. einer seiner Vorläufer - habe ihn beauftragt, die Leitung für die Bekämpfung des Kommunismus zu übernehmen. Dafür musste aber erst sein Boss aus dem Weg geräumt werden.

"Schlägst du etwa vor, ihn zu erschießen oder so, habe ich ihn gefragt", erzählt Philby auf dem Podium. Nichts dergleichen - der KGB wies ihn an, den Chef mit den Waffen der Bürokratie zu schlagen. "Also habe ich mich daran gemacht, meinen eigenen Boss zu beseitigen. Sie sollten jetzt besser nicht zuhören!", rät er den Stasi-Agenten.

1963 flog er in der libanesischen Hauptstadt Beirut auf. Dort war er wieder für den MI6 tätig, getarnt als Journalist für den Economist und den Observer. Seine alte Bekannte Flora Solomon verrät ihn. 1937 hatte er noch versucht, sie für die Spionage für die Sowjetunion zu gewinnen. Diese lehnte ab, verriet ihn zunächst jedoch nicht. Seine israelkritischen Berichte als Korrespondent schienen ihr allerdings derart zu missfallen, dass sie diese zum Anlass nahm, ihn beim britischen Geheimdienst zu verpfeifen.

Philby gilt heute als einer der größten Verräter der britischen Geschichte. Wie er 30 Jahre als Doppelagent tätig sein konnte, ohne entdeckt zu werden - auch das verrät der dem Stasi-Nachwuchs. Er sei in die britische Oberschicht hineingeboren worden. "Ich kannte viele einflussreiche Leute", erzählt Philby gelangweilt und macht eine ausladende Handbewegung. "Ich wusste, dass sie nie wirklich hart gegen mich vorgehen würden, denn hätte man ihre Anschuldigungen nachher widerlegt, hätte ich daraus einen riesen Skandal machen können."

Nach seiner Enttarnung 1963 konnte er entkommen, denn die Sowjetunion hatte ihm ein Frachtschiff bereitgestellt, auf dem er unentdeckt von Beirut nach Odessa floh. Doch in Moskau hatte man keine Verwendung mehr für ihn. Die Lebensrealität in der Sowjetunion entzauberte seine Vorstellungen des real existierenden Sozialismus. Er sprach kaum Russisch, war zunehmend isoliert, schrieb Memoranden, die keinen interessierten, begann zu trinken.

Nach Jahren der Untätigkeit begann er, KGB-Agenten für ihren Einsatz in London auszubilden, musste jedoch erkennen, dass sein Wissen mittlerweile veraltet war. Nur in Ost-Berlin hatte man noch Interesse an dem alten Spion: 1981 kommt die Einladung aus der DDR. Der pensionierte Agent darf seine Erfahrung noch einmal an den Nachwuchs weitergeben und hält ein Seminar über sein Leben, von der Rekrutierung bis zur Flucht. Am Ende dürfen die DDR-Spione Moskaus ausrangiertem Informanten noch Fragen stellen. Philby stirbt 1988 in Moskau. Er hat seine Spionage nie zugegeben. Der Vortrag vor der Stasi ist das, was am nächsten an ein Geständnis herankommt.

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