Süddeutsche Zeitung

Kiel:Sig-Sauer-Manager wegen Waffenexporten angeklagt

Weil sie Kleinwaffen nach Kolumbien geliefert haben sollen, will die Staatanwaltschaft fünf Mitarbeiter des deutschen Waffenherstellers vor Gericht stellen. Ihnen drohen mehrjährige Haftstrafen.

Von Frederik Obermaier und Bastian Obermayer

Es war ein Youtube-Video, das einem der größten deutschen Waffenhersteller zum Verhängnis wurde: Ein kolumbianischer Bundespolizist hatte bei einer Übung im Dschungel stolz seine Waffe gefilmt, eine Sig Sauer SP 2022, und das Video dann hochgeladen. Es war seine Dienstwaffe, "Made in Germany" stand auf dem Lauf, und genau das war das Problem: Exporte von Kleinwaffen nach Kolumbien waren damals nämlich verboten. Wegen des jahrzehntelangen Konfliktes zwischen Regierung, Guerilla und Paramilitärs hatte die deutsche Bundesregierung entschieden, dass deutsche Waffen nicht in das Bürgerkriegsland geliefert werden sollten.

Nachdem die Süddeutsche Zeitung zusammen mit NDR und WDR im Sommer 2014 enthüllt hatte, dass Sig Sauer offenbar die deutschen Behörden getäuscht hat, um illegal Pistolen nach Kolumbien zu exportieren, ließ die Staatsanwaltschaft den Unternehmenssitz im schleswig-holsteinischen Eckernförde durchsuchen. Es folgte ein Exportverbot gegen Sig Sauer, das inzwischen wieder aufgehoben wurde.

Vier Jahre später hat die Staatsanwaltschaft Kiel nun Anklage gegen fünf aktuelle oder ehemalige Verantwortliche erhoben, wie zuerst die Kieler Nachrichten berichteten. In ihrer fast 100-seitigen Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft den Männern nach Informationen von SZ, NDR und WDR vor, zwischen 2009 und 2012 insgesamt 36 628 Waffen nach Kolumbien geliefert, ohne die dafür nötige Genehmigung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingeholt zu haben. Unter den Waffen soll sich auch jene Pistole befunden haben, die ein kolumbianischer Bundespolizist später stolz auf Youtube präsentierte. Sig Sauer erklärte auf Anfrage, man sei überzeugt, "dass unsere Ausfuhren in die USA stets rechtskonform erfolgten".

Die Recherchen von SZ, NDR und WDR legen hingegen nahe, dass Sig Sauer wissentlich geltende Vorschriften umgangen hat. Internen Firmenunterlagen zufolge wurden die Pistolen im norddeutschen Eckernförde gefertigt, verpackt und an die US-Schwester nach Exeter, New Hampshire verschickt. Die Ware sei für den zivilen Markt in den USA bestimmt, hieß es auf entsprechenden Exportdokumenten. In Wahrheit jedoch wurden die Waffen nach Kolumbien weitergeleitet - und dies offenbar mit Wissen der obersten Führungsriege. Laut den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Kiel war bereits im Januar 2009 firmenintern von Lieferungen nach Kolumbien die Rede, im gleichen Jahr hätten auch die Eigentümer der Holding davon erfahren, der Sig Sauer gehört.

Laut internen Sig-Sauer-Unterlagen, die SZ, NDR und WDR einsehen konnten, war man sich in Eckernförde damals der Brisanz der Kolumbien-Geschäfte bewusst. Spaßhaft regte etwa ein Mitarbeiter an, man solle einem US-Kollegen eins "auf die Zwölf geben": Der habe ihm nämlich "kundenspezifische Dokumente (Kolumbien)" weitergeleitet, "von denen wir gar nichts wissen sollten ...". Und ein Konzernanwalt warnte den Unterlagen zufolge, das Vorgehen sei "strengstens verboten". Die Exportbeauftragte schrieb in einem Memo, sie fürchte harte Strafen.

Sollte das Landgericht Kiel die Anklage zulassen und die fünf Beschuldigten am Ende auch verurteilen, drohen den Männern Haftstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen. Die Staatsanwaltschaft fordert zudem die Einziehung des durch die mutmaßlich illegalen Waffenlieferung verdienten Geldes: insgesamt mehr als zwölf Millionen Euro.

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