Kiel (dpa/lno) - Mit dem Appell, Europa dürfe Menschen im Mittelmeer nicht ertrinken lassen, ist in Kiel das von der evangelischen Kirche initiierte Flüchtlingsschiff getauft worden. „Europa darf nicht zuschauen, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken“, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, bei der Zeremonie am Donnerstag. Das frühere Kieler Forschungsschiff „Poseidon“ wurde auf den Namen „Sea-Watch 4 powered by United4Rescue“ umgetauft und in die operative Verantwortung der Hilfsorganisation „Sea Watch“ übergeben.
Taufpatin war Schleswig-Holsteins stellvertretende Landtagspräsidentin Aminata Touré. Die Grünen-Politikerin ließ mit Schwung eine in einem Beutel gesicherte Sektflasche an der Schiffswand zu Bruch gehen. Touré sprach angesichts des mutmaßlich rassistischen Anschlags in Hanau mit elf Toten „von einem mulmigen Gefühl“ an diesem Tag. Die Schiffstaufe setze ein großartiges Signal dagegen - statt zu töten, Leben zu retten. Zugleich kritisierte Touré, deren Eltern vor Jahrzehnten aus dem vom Bürgerkrieg erschütterten westafrikanischen Mali nach Deutschland geflohen waren, den Umgang einiger Länder mit privaten Rettungsorganisationen: „Seenotrettung ist kein Verbrechen.“
Die rund 60 Meter lange „Sea Watch 4“ könne notfalls bis zu 1000 Menschen aufnehmen, hieß es. Am Montag wird das Schiff Kiel in Richtung Spanien verlassen. Dort sollen letzte Umbauten erfolgen. Der erste Einsatz zur Flüchtlingsrettung vor der libyschen Küste könnte im April starten.
Dem Bündnis „United4Rescue“ gehören rund 300 Partner an, darunter die EKD und die Mehrzahl der Landeskirchen wie die Nordkirche, aber auch die Musikband Revolverheld und der DGB. Der Filmemacher Wim Wenders hat die Initiative mit seinem Namen und einer Spende unterstützt - wie Tausende Privatpersonen. Das Aktionsbündnis hatte sich am 3. Dezember 2019 in Hamburg konstituiert.
Bedford-Strohm zeigte sich begeistert von dem großen Zuspruch für das Projekt. Nur zweieinhalb Monate nach dem Spendenaufruf sei das Schiff erworben worden. Es habe neben der erwarteten Kritik unglaublich viel Zustimmung aus der Breite der Gesellschaft gegeben: „Wir haben keinen Shitstorm erlebt, sondern einen Lovestorm.“