Ein Innenminister, der nicht weiß, was Gewaltenteilung ist, ist eine traurige Figur und als Innenminister untauglich. Ein Innenminister, der weiß, was Gewaltenteilung ist, sie aber missachtet, ist untauglich und gefährlich.
Herbert Kickl (FPÖ), der populistische Extremist in der Regierung von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz in Wien, ist gefährlich untauglich; Kickl will das Recht der Politik unterordnen.
Österreichs Innenminister Kickl redet so, wie Viktor Orbán in Ungarn und Jarosław Kaczyński in Polen handeln. Kickl versteht das Verhältnis von Demokratie und Rechtsstaat nicht - oder will es nicht verstehen. Er versteht, wie Orbán und Kaczyński, eine politische Mehrheit als Freibrief für alles.
Mehrheitsentscheidungen sind aber nicht automatisch rechtsstaatliche Entscheidungen; Mehrheit schafft nicht per se Recht. Demokratie ist mehr als Statistik, Mehrheit also nicht gleichzusetzen mit Verfassungsmäßigkeit.
Das weiß jeder, der die Gesetzgebung zum Beispiel auf dem Gebiet der inneren Sicherheit in Deutschland, Österreich oder anderen EU-Ländern verfolgt hat: Demokratische Entscheidungen sind nicht automatisch rechtsstaatliche Entscheidungen, sie stehen nicht automatisch, kraft Mehrheit im Parlament, auf dem Boden der Verfassung.
Sie können von den nationalen Verfassungsgerichten oder vom Europäischen Gerichtshof korrigiert werden; oft genug geschieht das auch.
Kickl muss lernen, Respekt vor dem Recht zu haben - oder gehen
Mehrheit im Parlament ist auch nicht unbedingt gleichzusetzen mit Wahrheit und Richtigkeit. In Österreich nicht, in Deutschland nicht, in Polen und Ungarn auch nicht - auch wenn Leute wie Orbán, Kaczyński und Kickl das behaupten.
Demokratie ist mehr als blanke Statistik, mehr als eine Abstimmungsprozedur; sie ist eine Wertegemeinschaft, eine Gemeinschaft, die ihre Mitglieder achtet und schützt.
In einer Demokratie, die Recht und Verfassung missachtet, herrscht nicht der Demos, sondern politische Willkür. Demokratie ist auch Wertegemeinschaft. Dass dies so bleibt, dafür sorgt das Recht. Welche Ziele mit welchen Mitteln verfolgt werden, entscheidet Politik. Ob der Weg rechtlich gangbar ist, ist eine Frage des Rechts.
Darüber kann sich ein Politiker ärgern, er muss es respektieren. Der deutsche Kanzleramtsminister Horst Ehmke (SPD) hat die Karlsruher Verfassungsrichter 1973 "Arschlöcher" genannt, von denen er sich nicht die Ostpolitik kaputtmachen lasse.
Er hat dann den Respekt vor dem Gericht lernen müssen. Kickl muss ihn auch lernen - oder gehen. Ein Innenminister, der nicht auf dem Boden der Verfassung steht, ist ein bodenloser Innenminister.