Süddeutsche Zeitung

Sozialdemokraten:Mit freundlichen Grüßen von Kevin Kühnert

Kurz vor dem Ende des Juso-Bundeskongresses hat der Ex-Vorsitzende und Parteivize eine Botschaft an Olaf Scholz: Zu viel Harmonie wird es in der Ampel-Regierung nicht geben. Dafür wird er sorgen.

Von Mike Szymanski, Frankfurt

Der Bundeskongress der Jusos steuert am Samstagabend schon auf sein Ende zu, da hat ein alter Bekannter noch einen bemerkenswerten Auftritt: Kevin Kühnert, der ehemalige Vorsitzende des SPD-Nachwuchses. Angekündigt ist sein Beitrag als "Grußwort" - und, ja, nach dieser Viertelstunde auf der Bühne in einer Frankfurter Turnhalle lässt sich seine Botschaft, die an den designierten Kanzler Olaf Scholz und sein Ampel-Bündnis gerichtet ist, wohl zusammenfassen mit den Worten: "Mit schönen Grüßen von Kevin Kühnert."

Kühnert kommt schnell zum Punkt. Es geht um den Koalitionsvertrag, den er - inzwischen Parteivize - mitverhandelt hat und der das Regierungsprogramm von SPD, FDP und Grünen beschreibt. Er wolle jetzt ein "klein bisschen politisch sprechen".

Dazu muss man wissen: Am Vormittag stand Parteikollege Olaf Scholz noch an dieser Stelle und hatte für den "Aufbruch" geworben, den er mit dem Ampel-Bündnis verbunden sieht. Im Grunde sehen viele Jusos die nächste Regierung wie er als Chance. Kühnerts Nachfolgerin bei den Jusos, Jessica Rosenthal, sicherte Scholz auch gleich die Unterstützung ihrer Leute zu. Sie wurde am Wochenende mit einem Ergebnis von 73 Prozent im Amt bestätigt.

Es gab ein paar Rednerinnen und Redner, die Kritik am Koalitionsvertrag übten, etwa in der Flüchtlings- und Wohnungspolitik, auch bei den Finanzen. Einige machten ihrem Ärger über die FDP Luft, die so manche Reform verhinderte. Scholz wollte sich aber das Bündnis nicht schlechtreden lassen. Er sagte, er fände es sinnvoller, "dass man sich mehr mit der Union beschäftigt als mit denen, mit denen wir jetzt hier den Aufbruch wagen wollen". Dies sei "nur ein kleiner Tipp von mir" an die Jusos.

Kühnert, der sich am Nachmittag auf den Weg zum Bundeskongress gemacht hatte, verfolgte unterwegs, was los war in Frankfurt. Es dürfte ihm etwas zu harmonisch zugegangen sein. Jedenfalls denkt er gar nicht daran, die FDP zu schonen. In seiner Arbeitsgruppe, die die Bereiche Mieten und Wohnen verhandelt hatte, konnte die SPD manche ihrer Forderungen nicht durchsetzen.

"Kafkaeske Situationen"

Beim Mietrecht sei "nicht ansatzweise" das erreicht worden, was er sich gewünscht hätte, schilderte er. Schuld daran sei die FDP. Allerlei Schlupflöcher, die die Mieten teurer machten, blieben erhalten - "wegen der FDP". In der Arbeitsgruppe habe es "kafkaeske Situationen" gegeben - weil die FDP beim Mietrecht überhaupt keinen Handlungsbedarf gesehen habe. Als es darum ging, dass von den 400 000 Wohnungen, die im Jahr neu gebaut werden sollen, 100 000 öffentlich gefördert sein sollen, hätten sie der FDP erst mal erklären müssen, dass damit nicht die Eigenheimförderung gemeint sei.

Scholz will den Frieden. Kühnert die Auseinandersetzung. Solch eine Kritik müsse man ansprechen können, ohne dass das gleich die neue Koalition auseinanderreiße. "Das müssen wir uns antrainieren", sagte Kühnert. Er machte weiter, schließlich sei das der Tag, an dem "man hier Tipps geben" dürfe - eine Anspielung auf Scholz' Auftritt.

Kühnert findet, man solle sich auch nicht scheuen zu sagen, dass man sich vorstellen könne, auch mit anderen Parteien zu regieren. Scholz arbeitet dagegen an einer komplett anderen Erzählung: SPD, Grüne und FDP sollten mit dem Anspruch antreten, wiedergewählt zu werden. Am Vormittag hatte Juso-Chefin Rosenthal noch zu Scholz gesagt, sie freue sich auf die nächsten vier Jahre. Da hatte Scholz sie unterbrochen: "Vier?" "Mindestens vier", schob sie eilig nach. Was die Ampel angeht, hat Kühnert jedenfalls schon mal Zweifel angemeldet.

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