Süddeutsche Zeitung

Umstrittene Aussagen zum Sozialismus:SPD distanziert sich von Kühnert

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Die SPD-Führung ist auf Distanz zu den Sozialismus-Thesen von Juso-Chef Kevin Kühnert gegangen. "Er spricht in einem Interview über eine gesellschaftliche Utopie", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Donnerstag in Berlin. "Diese ist nicht meine und auch keine Forderung der SPD."

Kühnert hatte in einem Interview mit der Zeit unter anderem gesagt, dass er für eine Kollektivierung großer Unternehmen "auf demokratischem Wege" eintrete. Zugleich wies Klingbeil darauf hin, dass Kühnert als Juso-Chef Vorsitzender der "linken Jugendorganisation der SPD" sei. In der Diskussion rate er zu "mehr Gelassenheit", sagte der Generalsekretär.

Kühnerts Aussagen hatten heftige Kritik auf sich gezogen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte der Bild-Zeitung: "Zum Glück haben wir den Sozialismus überwunden, bei dem zwar alle gleich, aber alle gleich arm waren. Die Forderung, Betriebe wie BMW zu kollektivieren, zeigt das rückwärtsgewandte und verschrobene Retro-Weltbild eines verirrten Fantasten. Das kann ich alles gar nicht ernst nehmen."

Kühnert hatte in dem Interview gesagt, ohne Kollektivierung sei "eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar". Am Beispiel des Autoherstellers hatte er weiter ausgeführt: "Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW 'staatlicher Automobilbetrieb' steht oder 'genossenschaftlicher Automobilbetrieb' oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht."

Entscheidend sei, dass die Verteilung der Profite demokratisch kontrolliert werde. "Das schließt aus, dass es einen kapitalistischen Eigentümer dieses Betriebes gibt. Ohne eine Form der Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus überhaupt nicht denkbar."

"Jeder sollte maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt"

Außerdem will Kühnert den Besitz von Immobilien in Deutschland beschränken. "Ich finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten", hatte er gesagt. "Konsequent zu Ende gedacht, sollte jeder maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt." Noch besser seien genossenschaftliche Lösungen, im Optimalfall gebe es überhaupt keine privaten Vermietungen mehr, sagte der Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation.

FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg sagte laut Bild-Zeitung: "Die SPD muss dringend ihr Verhältnis zum Eigentum klären und Herr Kühnert das Godesberger Programm statt Karl Marx lesen. Wir Freien Demokraten werden die soziale Marktwirtschaft gegen solche sozialistischen Auswüchse verteidigen." "30 Jahre nach dem Niedergang der DDR wollen die Linken wieder den demokratischen Sozialismus", meinte CDU-Vize Thomas Strobl. Erst spreche Grünen-Chef Habeck von Enteignungen, "jetzt kommen diese Stimmen auch aus der SPD und von der kommunistischen Linken sowieso".

Auch CSU-Generalsekretär Markus Blume hatte den Juso-Chef scharf kritisiert. "Kühnert soll in die Linkspartei eintreten. Mit solchen Leuten ist kein Staat zu machen und kann eine Regierung nicht funktionieren", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die systemverändernden Sozialismus-Fantasien des Juso-Vorsitzenden seien ein schwerer Rückfall der SPD in klassenkämpferische Zeiten. "Die SPD-Spitze muss sich deutlich von solchen Hirngespinsten distanzieren." Mit solchen Vorstößen mache sich die SPD lächerlich und verunsichere gleichzeitig diejenigen, die Wohnraum schaffen wollten.

"Was hat der geraucht?"

Auch vom rechten Flügel der SPD kam deutliche Kritik. "Was für ein grober Unfug. Was hat der geraucht? Legal kann es nicht gewesen sein", twitterte Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD.

Das Interview mit Kühnert dreht sich explizit und sehr detailliert um dessen Vorstellungen zum Sozialismus und um die Frage, wie eine "Transformation von einer kapitalistischen hin zu einer wie auch immer gearteten sozialistischen Gesellschaft" gelingen könne. Als Ziel nennt der 29-Jährige "eine demokratische Kontrolle darüber, wie wir arbeiten und was wir produzieren". Die Gesellschaft müsse sich über ihre Bedürfnisse verständigen, sagte er. So sei etwa zu fragen, ob sie Waffen brauche.

Kühnert distanziert sich aber von bisherigen Formen des Staatssozialismus wie in der DDR. In solchen Modellen habe es meistens einen "eklatanten Mangel an demokratischer Mitbestimmung" gegeben. Sozialismus sei aber "kein autoritäres Konzept".

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