Kenia:Westliche Wahlbeobachter haben in Kenia einen schlechten Job gemacht

Raila Odinga

Massenversammlung um den kenianischen Oppositionsführer Raila Odinga

(Foto: AP)

Europa und die USA spendieren Computer, schicken Beobachter und bejubeln Kenias Neuwahlen. Sie wollten eine Wahl um jeden Preis - und ignorieren jetzt alle Hinweise auf Betrug, zu denen sogar ein Mord gehört.

Kommentar von Bernd Dörries, Kapstadt

Mit Zahlen umzugehen scheint nicht zu den Stärken der kenianischen Wahlkommission zu gehören. Nach der Wahl vom Donnerstag sprach ihr Vorsitzender erst von 47 Prozent Beteiligung, später rechnete er nach und kam auf 33 Prozent. Auch bei der Anzahl der Wahllokale ergab sich mit jedem neuen Durchzählen ein anderes Ergebnis. Vielleicht ist das Dyskalkulie, vielleicht ist es Absicht. Zumindest zeigt es, dass diese Wahlkommission niemals eine Wahl hätte organisieren dürfen, schon gar nicht zwei.

Die erste vom 8. August war so zweifelhaft, dass das kenianische Verfassungsgericht einen neuen Versuch anordnete, der nun noch kläglicher verlief. Der übliche afrikanische Wahnsinn halt, sagen nun viele im Westen. Dabei hat der Westen durchaus seinen Beitrag geleistet, dass Kenia nun mit jedem Tag weiter ins Chaos abgleitet.

In Kenia hat es eine gewisse Tradition, dass der Verlierer von Wahlen anschließend von Betrug spricht. Nicht selten hatten die Unterlegenen damit nicht ganz unrecht. Es war daher gut gemeint, dass die USA und die EU sich entschieden, Kenia ein neues Wahlsystem zu spendieren, mit neuen Computern, die Betrug unmöglich machen sollten.

Die neuen Wahlcomputer erleichtern die Manipulation

Bis zu eine halbe Milliarde Euro wurde für die neuen Maschinen und das Personal ausgegeben. Ein Teil des Geldes floss nach Europa zurück, weil große Verträge an europäische IT-Unternehmen vergeben wurden, obwohl Kenia selbst erfolgreiche Start-up-Firmen besitzt. Am Wahltag gab es schöne neue Computer und eine Delegation von Wahlbeobachtern aus dem Westen, die vor den Rechnern stand wie ein alter Opa, der sein erstes Handy bekommen hat. Man hatte keinen Durchblick.

Im Großen und Ganzen fair und friedlich, so lautete das Urteil der Beobachter. Der ehemalige US-Außenminister John Kerry riet dem Wahlverlierer Raila Odinga, doch bitte nach vorne zu schauen.

Das Verfassungsgericht in Kenia schaute sich das Wahlergebnis noch einmal genauer an und sagte letztlich, dass die neuen Computer noch mehr Möglichkeiten geschaffen hatten, die Wahl zu manipulieren. Der IT-Chef der Wahlbehörde war zudem ermordet worden, wenige Tage vor dem Urnengang, seine Zugangsdaten womöglich missbraucht worden. Kein Wort dazu von den allermeisten Beobachtern. Sie wollten eine Wahl um jeden Preis.

Viele reden im Westen von Demokratie, meinen aber eigentlich Stabilität

Als es das Gericht dann anders sah, jubelten auch die Beobachter, sprachen von einem großen Tag für die Demokratie. Und schauten schnell wieder weg. Warum fragte niemand, ob es eine gute Idee war, die alte Wahlkommission auch die neue Wahl organisieren zu lassen? Eine Behörde, deren Chef selbst Zweifel geäußert hatte, einen fairen Urnengang hinzubekommen. Was Afrika betrifft, reden viele im Westen gerne von Demokratie, meinen aber eigentlich nur Stabilität. Hauptsache Ruhe!

Das Gegenteil ist jetzt der Fall. Präsident Uhuru Kenyatta hat ein Ergebnis von fast 100 Prozent eingefahren, aber nur, weil Oppositionschef Raila Odinga die Wiederholungswahl boykottierte. Er ist schon vier Mal angetreten, und hat vier Mal verloren. Im August wollten ihn die meisten Wähler womöglich wirklich nicht. Die zweifelhaften Umstände aber erlauben es, dass er sich nun als Freiheitskämpfer stilisiert, obwohl es ihm vor allem um sich selbst geht.

Das ist das Hauptübel der kenianischen Demokratie. Wahlen entscheiden, wer an die Fleischtöpfe darf. Letztlich gewinnt immer die Gier. Dagegen kann auch Europa wenig machen. Aber man sollte sich überlegen, ob Diplomatie immer so furchtbar diplomatisch sein muss. Wenn sie es ernst meinen mit Kenia, sollten die westlichen Beobachter nun klar sagen: Es gibt noch eine letzte Wahl. Und dann alles dafür tun, dass diese eine echte ist.

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